Objekt des Monats: Ein Kugelsternhaufen am Skorpionstachel
Mit einem Alter von teilweise mehr als zwölf Milliarden Jahren bestehen Kugelsternhaufen heute fast nur noch aus Sternen, die kühler und masseärmer als die Sonne sind. Damit ist Gelb die überwiegende Farbe dieser weitgehend unaufgelösten Sternenmeere. Es wird durchmischt von nur wenigen weißen, so genannten Horizontalast-Sternen, die sich bereits auf das Heliumbrennen umgestellt haben, sowie von einigen Roten Riesen. Alle diese Sterne sind in Bewegung, bleiben jedoch meist durch die Schwerkraft aneinander gebunden, auch wenn es manchmal zu engeren Begegnungen kommt. Ihre Bahnen verlaufen innerhalb der oft kugelrunden Haufenform. Die Sterne konzentrieren sich in einzelnen Kugelsternhaufen unterschiedlich stark zum Zentrum hin, was im Teleskop sichtbar ist. Weiterhin variiert, wie stark sie durch Gezeitenkräfte in unserem Milchstraßensystem abgeplattet werden.
Rekordverdächtig
Der immerhin 6,8 mag helle NGC 6388 ist leider von unseren heimatlichen Breiten aus nicht beobachtbar, weil er sich in den südlichsten Gebieten des Skorpions befindet. Er steht 1,8 Grad südlich vom 1,9 mag hellen Theta Scorpii und hat die Koordinaten 𝛼 = 17h 36,3m, 𝛿 = –44° 44′ (siehe »Nah am Stachel«). Daher erspähen wir den Kugelsternhaufen mitten im Band der Milchstraße, weniger als ein Grad nördlich der Grenze zum Sternbild Altar (lateinisch: Ara). NGC 6388 beeindruckt mit einem der am stärksten verdichteten Kernbereiche dieser Objektklasse: Ein Beobachter in seinem Zentrum dürfte einen Himmel voller Sterne der ersten Größenklasse genießen, denn viele halten sich nur ein zehntel Lichtjahr von ihm entfernt auf.
Die zentrale Flächenhelligkeit der Kernregion liegt mit 5,7 mag pro Quadratbogenminute nur 0,5 mag unter der von NGC 1851 im Sternbild Taube (lateinisch: Columba), dem absoluten Spitzenreiter in dieser Hinsicht. Dabei wird das Licht des Kugelsternhaufens durch den interstellaren Staub um ganze 1,5 Größenklassen abgeschwächt und zugleich gerötet. Ohne diesen Effekt wäre NGC 6388 sogar 5,2 mag hell. Die absolute – also auf eine Entfernung von zehn Parsec oder 32,6 Lichtjahren geeichte – Helligkeit von NGC 6388 ist ebenfalls bemerkenswert: Nach Messier 54 im Sternbild Schütze und Omega Centauri im Kentaur ist er der dritthellste Kugelsternhaufen unserer Galaxis. Bei einer vom Astrometrie-Satelliten Gaia gemessenen Entfernung von etwa 33 000 Lichtjahren ist NGC 6388 dabei recht kompakt, denn sein wahrer Durchmesser liegt mit 90 Lichtjahren nur im oberen mittleren Bereich.
Das Gelbe vom Ei
Auf Grund seiner hohen Flächenhelligkeit ist es bei NGC 6388 möglich, im Teleskop eine tiefgelbe Farbe des Haufenkerns wahrzunehmen, wie das Eigelb in der Mitte eines Spiegeleis. Das geht nur bei Objekten, die hell genug sind, um beim direkten Sehen nicht zu verschwinden. Beim indirekten Beobachten eines schwachen Nebels ist nie Farbe auszumachen, weil außerhalb der Augenmitte keine farbempfindlichen Rezeptoren liegen. Michael Fritz findet es bemerkenswert, dass die Farbe des Kerns in seinem 130-Millimeter-Refraktor bei 20-facher Vergrößerung so auffällig gelb ist, obwohl HD 159384, ein orangefarbener Stern 7. Größe, nur neun Bogenminuten südsüdöstlich vom Kugelsternhaufen entfernt liegt. Von der Südhalbkugel aus ist es möglich, das verschmolzene Licht von NGC 6388 und HD 159384 mit dem bloßen Auge zu sehen, genau mittig zwischen Theta Scorpii und Sigma Arae. Auf Grund des geringen Abstands blendet das Licht von HD 159384 das Beobachterauge am Teleskop etwas, und sein Orange kann den Farbkontrast des Zentralbereichs von NGC 6388 mindern.
Entdeckt wurde NGC 6388 am 13. Mai 1826 von James Dunlop (1793 – 1848), der ihn wie folgt beschrieb: »Ein schöner runder Nebel, etwa 5′ Durchmesser, mit einer hellen runden gut definierten Scheibe oder Nukleus, etwa 15′′ Durchmesser, genau im Zentrum; diese erscheint wie ein Planet, der von einer extrem schwachen verdünnten Atmosphäre umgeben ist.« John Herschel stufte das Objekt im Jahr 1834 korrekt als Kugelsternhaufen ein. Er konnte in NGC 6388 aber selbst mit seinem 46 Zentimeter großen, von seinem Vater William Herschel übernommenen Spiegelteleskop noch keine einzelnen Sterne erkennen.
Anblick im Teleskop
Und damit sind wir beim Wermutstropfen für den visuell beobachtenden Amateur mit einem kleineren, noch transportablen Fernrohr: Es ist etwas enttäuschend, dass man einzelne Sterne trotz der vergleichsweise hohen Gesamthelligkeit des Objekts nicht erkennen kann. Der hellste Rote Riese erreicht nur 14,8 mag, und die Horizontalast-Sterne liegen knapp unterhalb von 17 mag (siehe »Enthüllte Details«). Daher wird der Haufen selbst in Teleskopen mit 41 bis 46 Zentimeter Öffnung meist nur als granuliert beschrieben; einzelne Sterne sind auch dann noch nicht klar wahrzunehmen.
Im 130-Millimeter-Refraktor und vom dunklen Inselinneren La Palmas aus beobachtet, erstreckt sich NGC 6388 inklusive seiner Randbereiche über etwa 3,5 Bogenminuten. Das Feld ist merklich sternreicher und wirkt nicht so getrübt wie bei dem in der Nähe stehenden offenen Sternhaufen NGC 6322. Ein nur 11 mag heller Stern befindet sich 1,3 Bogenminuten nördlich des Haufenzentrums, ein Stern mit 12 mag liegt 1,9 Bogenminuten südwestlich, ein weiterer 9,5 mag heller Stern steht 4,5 Bogenminuten entfernt im Südwesten (siehe »Zeichnung am 13-Zentimeter-Refraktor«).
Bei 150-facher Vergrößerung erscheint NGC 6388 immer noch extrem kompakt und hell. Er sieht dann aus wie die großen Kugelsternhaufen bei nur 20-facher Vergrößerung. Nicht einmal bei 255-facher Vergrößerung zeigen sich einzelne Sterne; der 0,6 Bogenminuten große Kernbereich wirkt nun jedoch fein gesprenkelt. Zwei Sterne, je einer im Osten und im Westen, dürften auf Grund ihrer Helligkeit von 14 mag Vordergrundsterne sein. Neben der Teleskopgröße spielt die Luftruhe eine Rolle. Von einem Standort südlich des Äquators steht NGC 6388 noch viel höher am Himmel als auf den Kanaren. Von daher schauen Sie besser selbst einmal genau hin, was visuell möglich ist.
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