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Ökologie: Ist dieser Wolf das erste bestäubende Raubtier?

Äthiopische Wölfe sind die am stärksten bedrohten Hundeartigen der Erde. Ihr Verhalten ist außergewöhnlich - das zeigt auch eine neue Studie.
Ein rotbrauner äthiopische Wolf steht im Hochland zwischen blühenden Pflanzen und schleckt Nektar. Die Blüten sind gelborange und zylinderförmig, die grünen Blätter ähneln denen von Agaven und laufen wie Lanzetten spitz zu. Von den Pflanzen wachsen viele im Bild, manche sind verblüht - ihr Blütenstand ist dann braun. Der Wolf ist von schräg hinten fotografiert.
Ein Äthiopischer Wolf beim Blütenbesuch, wo er Nektar schleckt.

Am liebsten jagen Äthiopische Wölfe (Canis simensis) Nagetiere, denen sie im Hochland des afrikanischen Landes nachstellen. Von Zeit zu Zeit treibt es sie jedoch auch in die Blüten an die bunt gefärbten Blüten der Fackellilien der Art Kniphofia foliosa, wo sie Nektar schlecken. Damit helfen sie auch den Pflanzen, wie Sandra Lai von der University of Oxford und ihr Team beobachtet haben. Die Hundeartigen verteilen auf diese Weise die Pollen der Fackellilien und bestäuben sie. Die Wölfe wären damit das erste große Raubtier, bei denen dies nachgewiesen wurde.

Lai und Co studierten das Verhalten der Wölfe im Bale Mountains National Park, einem Verbreitungsschwerpunkt der bedrohten Art, von der nur noch etwa 500 Tiere existieren könnten. In den kühlen Hochlagen des Gebirges ist Nahrung bisweilen schwer zu bekommen und der süße Nektar kann als zusätzliche Energiequelle dienen: Menschen nutzen ihn beispielsweise, um ihren Kaffee zu süßen. Kinder wurden ebenfalls schon dabei beobachtet, wie sie an den Blüten schleckten. Obwohl den Wölfen viele typische Eigenschaften von Bestäubern fehlen – etwa eine lange Zunge – suchen sie regelmäßig die Blütenstände der Lilien auf. Manche der Tiere besuchten bis zu 30 der Pflanzen während einer einzigen Nahrungssuche.

Dabei handelte es sich nicht um einzelne Fälle. Die Arbeitsgruppe beobachtete regelmäßig, wie verschiedene Wölfe aus unterschiedlichen Rudeln an den Blüten leckten. Sie bringen außerdem ihre Jungtiere mit zu den Pflanzen: ein Hinweis auf soziales Lernen, so Lei und Co. Während der Nektaraufnahme wird die Nase über und über mit Pollen bedeckt, welche die Wölfe zu den nächsten Blüten schleppen und auf diese übertragen – ein außergewöhnliches Verhalten, das bislang bei keinem anderen großen Tier beobachtet wurde, das ansonsten auf Fleisch spezialisiert ist. Und das zeige, wie wenig man bislang über die Ökologie der Wölfe wisse, so Lei.

Und das ist nicht das einzige außergewöhnliche Verhalten der Art: Während Paviane und Raubtiere einander normalerweise strikt meiden, suchen Äthiopische Wölfe gezielt deren Nähe. Sie streifen zwischen grasenden Blutbrustpavianen umher und jagen von den Primaten aufgeschreckte Nager. Sie erbeuten in diesen Affenherden deutlich mehr, als wenn sie allein auf die Jagd gehen.

Beide Arten kämpfen jedoch ums Überleben. Ihr Lebensraum wird weiter zerstückelt und durch sich ausbreitende Landwirtschaft bedroht. Die Wölfe sind zudem durch Krankheiten bedroht, die von Hunden auf sie übertragen werden können.

  • Quellen
Ecology 10.1002/ecy.4470, 2024

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