News: Ohne Ansehen der Masse
Eigentlich wollten die Wissenschaftler nur untersuchen, wieso im atmosphärischen Kohlenmonoxid häufiger 17O vorkommt, als nach der Theorie zu erwarten wäre. Diese Beobachtung wurde zumindest von mehreren Meßstationen gemeldet, unter ihnen die Stützpunkte in Spitzbergen und auf den Kanarischen Inseln. Da der 17O-Überschuß mit den Jahreszeiten schwankte, nahmen die Forscher an, daß nicht die verschiedenen CO-Quellen den Effekt verursachen, sondern eher ein Zusammenhang mit jenem Mechanismus besteht, durch den Kohlenmonoxid abgebaut wird, also der Reaktion mit dem Hydroxylradikal OH. Die entgegengesetzten Verläufe der CO-Konzentration in der Atmosphäre und dem 17O-Überschuß im Jahreslauf ließen sich dann erklären, wenn die Reaktion
unabhängig von der Masse ist. Darum studierten die Chemiker des Max-Planck-Instituts die dominierende Abbaureaktion für Kohlenmonoxid im Labor und stellten zweifelsfrei fest, daß sie tatsächlich massenunabhängig verläuft. Während der Oxidation von CO mit OH unter verschiedenen Bedingungen stieg der Anteil der 17O-Isotope allmählich an – genau so, wie es nötig ist, um die Beobachtungen in der echten Atmosphäre erklären zu können.
Die neue Entdeckung bringt sowohl praktische Anwendungen als auch grundlegende Fragen mit sich. Der Selbstreinigungseffekt der Atmosphäre beruht im wesentlichen auf die Verfügbarkeit von Hydroxylradikalen. Die entfernen unter anderem Kohlenmonoxid und das Treibhausgas Methan. Doch OH gehört zu den seltensten Molekülen in der Atmosphäre, seine mittlere Lebensdauer beträgt nur Sekunden. Dennoch liefert die Reaktion von CO und OH ein eindeutiges Isotopensignal, wieviel Kohlenmonoxid auf Hydroxyl gestoßen ist. Daraus ließen sich Einblicke in den CO-Haushalt der Atmosphäre und die Verteilung von OH gewinnen.
Momentan sind die Wissenschaftler nicht in der Lage, zu erklären, warum die Reaktion von OH und CO massenunabhängig ist. Dabei handelt es sich um eine der am besten untersuchten Reaktionen von Gasen, die in der Atmosphäre sowie bei Verbrennungsprozessen eine wichtige Rolle spielt.
Der Heidelberger Verlag Spektrum der Wissenschaft ist Betreiber dieses Portals. Seine Online- und Print-Magazine, darunter »Spektrum der Wissenschaft«, »Gehirn&Geist« und »Spektrum – Die Woche«, berichten über aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.