Monarchfalter: Ohne Kälte kein Kurswechsel
Jeden Herbst wiederholt sich in Zentralmexiko ein einzigartiges Naturschauspiel: In großen Wolken treffen Millionen von Monarchfaltern (Danaus plexippus) aus Nordamerika ein, um zu überwintern. Die Schmetterlinge navigieren auf der über 3000 Kilometer langen Reise mit Hilfe eines Sonnenkompasses in Augen und Antennen. Was sie dazu bewegt, im Frühjahr den entgegengesetzten Kurs einzuschlagen, fanden nun Patrick Guerra und Steven Reppert von der University of Massachusetts in Worcester heraus: Im Gegensatz zum Hinweg gibt auf dem Rückweg nicht die Tageslänge, sondern die Temperatur das Signal zum Abflug.
Um zu untersuchen, welche Bedingungen den Richtungswechsel auslösten, fingen die Forscher im Herbst Monarchfalter auf ihrem Weg nach Süden. Sie hielten die Schmetterlinge knapp einen Monat lang bei Temperaturen, die jenen des Winterquartiers entsprachen: nachts vier, tagsüber elf Grad Celsius. Da Monarchfalter bei weniger als zehn Grad nicht fliegen können, mussten die Wissenschaftler sie anschließend wieder auf Umgebungstemperatur bringen, um ihre Flugrichtung zu ermitteln. Unabhängig von der Tageslänge kehrten die Falter, die eigentlich auf dem Weg nach Süden gewesen waren, nach der Kühlphase um. Wurden ihre Schwarmgenossen den Winter über bei milden Temperaturen gehalten, flogen sie dagegen weiter nach Süden, obwohl es bereits Frühling war.
Monarchfalter ziehen sich zum Überwintern in ein kleines Gebiet hoch in den vulkanischen Bergen der mexikanischen Sierra Nevada zurück. In Höhenlagen von über 3000 Metern hängen sie als riesige Trauben von den dort heimischen Tannen (Abies religiosa). In ihrem Winterquartier ist es manchmal nicht viel wärmer als in ihrer nordamerikanischen Heimat, doch für die Schmetterlinge sind die speziellen Bedingungen vor Ort entscheidend: Die Bäume und die gegenseitige Nähe schaffen ein Mikroklima, das sie vor dem Erfrieren schützt und ihnen gleichzeitig erlaubt, den Stoffwechsel herunterzufahren.
Dementsprechend befürchten die Autoren, dass schon kleinere Klimaveränderungen die Migration der Monarchen stören könnten. Zum Beispiel ließe sie ein plötzlicher Kälteeinbruch womöglich mitten auf der Strecke umdrehen. Wäre es dagegen in Mexikos Bergen nicht mehr kalt genug, flögen sie unablässig nach Süden. "Ohne den Kältestimulus wird der jährliche Wanderzyklus unterbrochen, und wir verlieren eins der faszinierendsten biologischen Phänomene der Erde", so Reppert.
Doch nicht nur der Klimawandel bedroht das Überleben der Langstreckenflieger: Illegaler Holzabbau dezimiert die Tannen, auf denen die Falter überwintern. Außerdem gelten giftige Seidenpflanzen, die den Raupen als Nahrung dienen und sie für Fressfeinde ungenießbar machen, oft als Unkraut, das beseitigt werden muss. Die Weltnaturschutzunion IUCN schuf für die Monarchfalter-Wanderung deshalb sogar eigens die Kategorie "bedrohte Naturphänomene".
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben