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Navigation: Ohne Kompass und Karte

Wie finden Bienen zur Futterquelle und wieder zurück? Mit Ihrem Sonnenkompass. Und wie machen's Waldameisen? Ein simples Experiment gibt Antwort.
Formica rufa
Als Karl von Frisch zu Beginn des 20. Jahrhunderts herausgefunden hatte, dass sich Bienen am Stand der Sonne orientieren können, war das noch eine Sensation – die erst 1973 mit dem Nobelpreis geehrt wurde. Inzwischen gilt die Sonnenkompassorientierung als alter Hut, auf die neben Bienen und Vögel auch viele andere Tiere zurückgreifen, wie beispielsweise auch die Wüstenameise Cataglyphis.

Wer sich jedoch schon in Wald und Flur orientieren musste, weiß, dass das nicht so ganz einfach ist. Denn die Himmelsrichtung allein, die sich über den Stand der Sonne ermitteln lässt – falls man eine Uhr hat – sagt noch nicht, wo es nach Hause geht. Ohne Karte nützt der beste Kompass nichts. Da hilft nur: Auf genau denselben Weg wieder zurücklaufen!

Genau das tun Waldameisen: Wenn Kundschafter eine Futterquelle aufgespürt haben, laufen sie schnurstracks zurück zum Nest, teilen die freudige Nachricht ihren Ameisenkollegen mit, die sich dann ihrerseits auf den gleichen Weg machen.

Dass sich dabei die Tierchen irgendwie die Route merken, war schon bekannt. Robert Harris und seine Kollegen von der Universität von Sussex in Brighton wollten es jedoch genauer wissen – und dachten sich ein recht einfaches Experiment aus.

Die Forscher erfreuten ihre zur Spezies der Großen Roten Waldameise (Formica rufa) zählenden Versuchskrabbler mit Zuckerlösung, die es zu finden galt, um dann gesättigt wieder den Heimweg anzutreten. Der Trick dabei: Der Weg zum Futternapf führte an einer zwei Meter langen und zwanzig Zentimeter hohen, schwarzen Wand entlang. Auf dem Hinweg lag die Wand links, auf dem Rückweg entsprechend rechts. Genügt das den Ameisen zur Orientierung?

Orientierungsexperimente | Waldameisen merken sich einfache Wegmarken: Hungrig (blau) lassen sie die Wand links liegen – gefüttert (rot) dagegen rechts (oben links). Bei zwei gegenüberliegenden Wänden irren sie erst ziellos umher, bis sie zufällig auf eine Wand stoßen, um dann – je nach Sättigungsgrad – rechts oder links abzubiegen (unten links).
In einem Y-förmigen Labyrinth wählen sie – wiederum je nach Sättigung – den Gang zur Futterquelle oder zum Nest (rechts).
Offensichtlich. Denn als die Forscher ihre hungrigen Tiere in zwanzig Zentimeter Entfernung auf halber Höhe der Wand platzierten, zögerten diese nicht lange. Flugs bogen sie nach rechts ab und ließen so die Wand links liegen. Umgekehrt hielten es Ameisen, die sich zuvor satt essen durften: Sie rannten nach links, sodass die Wand auf ihrer rechten Seite lag.

Auch als den Kerbtieren zwei gegenüberliegende Wände präsentiert wurden, blieben sie bei ihrem Verhalten. Sobald sie zufällig auf eine Wand trafen, dann liefen sie – wenn sie vom Hunger geplagt waren – rechts von ihr weiter. Gut genährt, wählten sie die umgekehrte Variante.

In einem zweiten Experiment mussten die Ameisen durch ein Y-förmiges Labyrinth laufen, wobei der eine Arm des Y zur Futterquelle, der andere zum Nest führte. Durch ein simples Schwarz-Weiß-Muster konnten die Tiere die beiden Gänge visuell unterscheiden.

Und auch hier hing die Wahl allein vom Sättigungsgrad der Tiere ab: Hungrig wählten sie den Gang, der sie zuvor zur Zuckerlösung führte – gesättigt, den anderen.

"Obwohl Ameisen stur an ihren gewohnten Routen festhalten, reagieren sie bei der Wahl der Wege genauso flexibel wie Bienen", schließen die Forscher. Zur Orientierung genügen schlichte Wegmarken, wobei der Magen ihnen sagt, wo es lang geht.

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