Ökologie: Ohne Seeotter wirkt der Klimawandel schlimmer
Wegen ihres dichten, weichen Fells wurden Seeotter bis an den Rand der Ausrottung gejagt. Heute stehen sie zwar unter strengem Schutz, dennoch gehen ihre Bestände mancherorts weiter oder erneut zurück, etwa weil sie vermehrt von Schwertwalen gefressen werden. In den Küstenökosystemen des nordöstlichen Pazifiks spielen sie allerdings eine Schlüsselrolle, und ihr Verschwinden löst Kettenreaktionen aus, welche die Folgen des Klimawandels noch verstärken. Das zeigt eine Studie von Biologen um Douglas Rasher vom Bigelow Laboratory for Ocean Sciences in East Boothbay im Journal »Science«.
Die Seeotter fressen etwa Seeigel, die sich wiederum von Seetang und Kalkriffe bildenden Rotalgen der Art Clathromorphum nereostratum ernähren. Ohne die marinen Marder können sich die Seeigel stark vermehren und damit das Ökosystem überweiden. Das lässt sich unter anderem vor den Aleuten zwischen Alaska und Sibirien beobachten: Nach dem Verschwinden der Seeotter vernichteten die massenhaft auftretenden Seeigel zuerst die Seetangwälder, indem sie neu aufkommenden Kelp fraßen. Nachdem diese leichter zugängliche Nahrung erschöpft war, wandten sich die Tiere den Kalkalgen zu.
Und dort richten sie mittlerweile größere Schäden an im Vergleich zu früheren Jahrzehnten, als die Seeotter wegen der Jagd ebenfalls dezimiert waren. Woran das liegt, klärten die Wissenschaftler mit Daten aus dem Freiland und Laborexperimenten. Demnach nahm der Fraßdruck mit steigenden Wassertemperaturen und zunehmender Versauerung des Ozeans nicht nur wegen der steigenden Zahl der Seeigel in den letzten Jahren deutlich zu. Beide Prozesse erschweren es den Kalkalgen, ihre Schutzhülle aufzubauen: Sie bleibt dünner und kann leichter von den Seeigeln geknackt werden.
Das bestätigten auch Laborexperimente, bei denen Kalkalgen und Seeigel unter den Umweltbedingungen vorindustrieller und heutiger Zeiten gehalten wurden. Verglichen mit früher ist der Fraßdruck um 35 bis 60 Prozent höher. Erhöhten die Forscher experimentell Wassertemperatur und Versauerung auf Werte, wie sie zukünftig erwartet werden, nahm der Verbiss nochmals um 20 bis 40 Prozent zu. Rasher und Co befürchten daher, dass die Riffe in den nächsten Jahren einen Punkt erreichen könnten, an dem sie irreversibel geschädigt werden. »Diese prinzipiell langlebigen Riffe verschwinden vor unseren Augen – wir stehen vor einem Kollaps, der sich innerhalb von Jahrzehnten abspielen könnte«, sagt Rasher.
Eine Erholung der Seeotterbestände könnte diesen Prozess zumindest sichtbar verlangsamen: Die Raubtiere fressen pro Tag bis zu 1000 Seeigel und können deren Population deutlich verkleinern, so dass die Schäden geringer ausfallen. Vielleicht ließe sich dadurch der Zusammenbruch des Ökosystem so lange hinauszögern, bis die Menschheit drastisch die Kohlendioxidemissionen verringert hat, schreiben die Wissenschaftler.
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