Neurolinguistik: Ohne Worte
Zunehmend schwindet der Unterschied zwischen Mensch und Tier. Was gestern noch als typisch menschlich galt, entdecken Forscher heute auch bei der animalischen Kreatur. Und schon wieder bricht der Krone der Schöpfung ein Zacken heraus. Diesmal geht es um das Phänomen der semantischen Kongruenz.
Was ist kleiner? Eine Ameise oder eine Maus? Eine Frage, die den menschlichen Intellekt nicht allzu sehr überfordern dürfte. Genauso wenig, wenn es umgekehrt heißt: Was ist größer? Schließlich sollte es logisch betrachtet egal sein, in welcher Richtung die Dimensionen des Insekts mit denen des Nagers verglichen werden.
Und dennoch: Während die meisten Erwachsenen sofort die Frage nach dem kleineren Organismus beantworten können, werden sie den Bruchteil einer Sekunde zögern, wenn nach dem größeren der kleinen Wesen gefragt wird. Umgekehrt verhält es sich, wenn große Tiere – wie eine Kuh und ein Elefant – miteinander verglichen werden sollen. Jetzt kommt die Antwort schneller, wenn es heißt: Was ist größer?
Linguisten kennen den Effekt als "semantische Kongruenz": Der menschliche Geist berücksichtigt beim relativen Größenvergleich auch die absoluten Werte. Deshalb fällt es leichter, die kleinere aus zwei kleinen Zahlen wie 2 und 3 zu erkennen. Umgekehrt wird bei 7 und 8 der größere Wert schneller identifiziert.
Bisher hielten Forscher die semantische Kongruenz allein für ein Phänomen der Sprache und damit für ein rein menschliches Problem. Schließlich wird die sprachliche Bedeutung von Wörtern erfasst und zueinander in Beziehung gesetzt. Wer über keine Sprache verfügt, sollte sich demnach von semantischer Kongruenz nicht beirren lassen. Doch Feinstein und Mikulski sehen das etwas anders.
Feinstein und Mikulski gehören zur Spezies der Rhesusaffen (Macaca mulatta). Die beiden Affendamen sollten Jessica Cantlon und Elizabeth Brannon von der Duke-Universität in Durham etwas über semantische Kongruenz bei Tieren erzählen. Dazu standen sie vor der Aufgabe, von zwei Punktmengen auf einem Bildschirm entweder auf die kleinere oder die größere zu tippen: War der Bildschirmhintergrund rot, dann sollte die kleinere Zahl gewählt werden; bei blau war die größere Punktmenge gefragt. Zur Belohnung gab's einen leckeren Saft – wobei eine vorherige Durststrecke die Motivation der Affen erhöhte. Jede falsche Wahl wurde dagegen mit einem lauten Warnton und einem schwarzen Bildschirm bestraft.
Für Feinstein und Mikulski war das Ganze ein Kinderspiel. Problemlos konnten sie die gewünschte Punktmenge herauspicken – allerdings unterschiedlich schnell: Bei kleinen Zahlen erkannten sie die kleinere schneller, bei großen die größere. So brauchten sie 186 Millisekunden mehr, um die größere von zwei kleinen Zahlen wie 1 und 2 zu erfassen. Beim Vergleich zwischen 8 und 9 dauerte es dagegen 136 Millisekunden länger, bis sie die kleinere erkannt hatten.
Die semantische Kongruenz wäre demnach nicht an Sprache gekoppelt, sondern trat wohl in der Evolution schon früh auf, vermuten die beiden Wissenschaftlerinnen. "Die Fähigkeit zur Sprache ist offensichtlich einer der wichtigsten Unterschiede zwischen Mensch und Tier", betont Brannon. "Unsere Experimente zeigen jedoch eindeutig, dass der semantische Kongruenz-Effekt – der als sprachabhängig galt – nicht dazu gehört."
Und dennoch: Während die meisten Erwachsenen sofort die Frage nach dem kleineren Organismus beantworten können, werden sie den Bruchteil einer Sekunde zögern, wenn nach dem größeren der kleinen Wesen gefragt wird. Umgekehrt verhält es sich, wenn große Tiere – wie eine Kuh und ein Elefant – miteinander verglichen werden sollen. Jetzt kommt die Antwort schneller, wenn es heißt: Was ist größer?
Linguisten kennen den Effekt als "semantische Kongruenz": Der menschliche Geist berücksichtigt beim relativen Größenvergleich auch die absoluten Werte. Deshalb fällt es leichter, die kleinere aus zwei kleinen Zahlen wie 2 und 3 zu erkennen. Umgekehrt wird bei 7 und 8 der größere Wert schneller identifiziert.
Bisher hielten Forscher die semantische Kongruenz allein für ein Phänomen der Sprache und damit für ein rein menschliches Problem. Schließlich wird die sprachliche Bedeutung von Wörtern erfasst und zueinander in Beziehung gesetzt. Wer über keine Sprache verfügt, sollte sich demnach von semantischer Kongruenz nicht beirren lassen. Doch Feinstein und Mikulski sehen das etwas anders.
Feinstein und Mikulski gehören zur Spezies der Rhesusaffen (Macaca mulatta). Die beiden Affendamen sollten Jessica Cantlon und Elizabeth Brannon von der Duke-Universität in Durham etwas über semantische Kongruenz bei Tieren erzählen. Dazu standen sie vor der Aufgabe, von zwei Punktmengen auf einem Bildschirm entweder auf die kleinere oder die größere zu tippen: War der Bildschirmhintergrund rot, dann sollte die kleinere Zahl gewählt werden; bei blau war die größere Punktmenge gefragt. Zur Belohnung gab's einen leckeren Saft – wobei eine vorherige Durststrecke die Motivation der Affen erhöhte. Jede falsche Wahl wurde dagegen mit einem lauten Warnton und einem schwarzen Bildschirm bestraft.
Für Feinstein und Mikulski war das Ganze ein Kinderspiel. Problemlos konnten sie die gewünschte Punktmenge herauspicken – allerdings unterschiedlich schnell: Bei kleinen Zahlen erkannten sie die kleinere schneller, bei großen die größere. So brauchten sie 186 Millisekunden mehr, um die größere von zwei kleinen Zahlen wie 1 und 2 zu erfassen. Beim Vergleich zwischen 8 und 9 dauerte es dagegen 136 Millisekunden länger, bis sie die kleinere erkannt hatten.
"Die Fähigkeit zur Sprache ist einer der wichtigsten Unterschiede zwischen Mensch und Tier – doch der semantische Kongruenz-Effekt gehört nicht dazu"
(Elizabeth Brannon)
Die beiden Affendamen zeigten also wir ihre menschlichen Verwandten einen typischen semantischen Kongruenz-Effekt. "Obwohl ihr Können nichts mit Sprache zu tun hat, ist es dennoch eindeutig semantisch, denn die Farben Rot und Blau bergen für die Affen eine Bedeutung", erläutert Cantlon, die sich im Übrigen von Feinsteins und Mikulskis Treffergenauigkeit beeindrucken ließ. (Elizabeth Brannon)
Die semantische Kongruenz wäre demnach nicht an Sprache gekoppelt, sondern trat wohl in der Evolution schon früh auf, vermuten die beiden Wissenschaftlerinnen. "Die Fähigkeit zur Sprache ist offensichtlich einer der wichtigsten Unterschiede zwischen Mensch und Tier", betont Brannon. "Unsere Experimente zeigen jedoch eindeutig, dass der semantische Kongruenz-Effekt – der als sprachabhängig galt – nicht dazu gehört."
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