Omikron-Variante: Angepasste Impfstoffe bringen womöglich wenig
Während Omikron weltweit wütet, arbeiten Impfstoffhersteller mittlerweile an Vakzinen, die speziell auf die besonders ansteckende Variante von Sars-CoV-2 zugeschnitten sind. Frühe Tierversuche dämpfen allerdings die Hoffnung, was die Wirkung solcher Stoffe betrifft. An den meisten Studien waren zwar nur wenige Tiere beteiligt – in einem Fall zum Beispiel nur acht Primaten – und die Ergebnisse sind auch noch nicht von Fachleuten überprüft worden. Sie liefern jedoch erste Hinweise darauf, dass eine einzelne Dosis eines maßgeschneiderten Impfstoffs im Kampf gegen Omikron wohl keinen Unterschied machen wird: Eine spezifisch auf Omikron ausgerichtete Auffrischungsimpfung bringt womöglich keinen Vorteil gegenüber einer dritten Impfung mit einem bereits zugelassenen mRNA-Impfstoff.
Seit seiner ersten Entdeckung im November 2021 hat sich Omikron zur weltweit dominierenden Variante entwickelt. Sie unterscheidet sich erheblich von der ursprünglichen Sars-CoV-2-Variante, auf der die derzeit zugelassenen Impfstoffe basieren. Diese Unterschiede könnten erklären, warum drei Dosen der vorhandenen Impfstoffe gegen Omikron weniger wirksam sind als etwa gegen Alpha und Delta.
Die Veränderungen im Virus zwangen die Hersteller der vielerorts genutzten mRNA-basierten Impfstoffe, speziell auf Omikron zugeschnittene Vakzine zu entwickeln. Sowohl Biontech/Pfizer als auch Moderna gaben Ende Januar 2022 bekannt, dass erste klinische Versuche mit ihren omikron-spezifischen Impfstoffen begonnen hätten. Diese sollen in den kommenden Monaten Daten liefern. Bei Biontech rechne man ab April oder Mai mit einer Auslieferung eines auf die Omikron-Variante zugeschnittenen Coronaimpfstoffs, wie Unternehmensgründer Ugur Sahin zuletzt mitteilte.
Während Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf die Ergebnisse warten, geben die vorab veröffentlichten Tierstudien eine erste Vorstellung vom potenziellen Nutzen der neuen Impfstoffe. In einer Studie untersuchten Forschende die Immunreaktionen von acht Rhesusaffen (Macaca mulatta). Die Tiere erhielten drei Impfstoffdosen: zwei Dosen des Originalimpfstoffs von Moderna und eine Auffrischungsimpfung entweder mit demselben Impfstoff oder mit einem angepassten Vakzin, welches das stark mutierte Spike-Protein von Omikron enthielt, mit dem das Virus in menschliche Zellen eindringt. Die Autoren fanden heraus, dass Affen, die mit einem der beiden Impfstoffe geboostert wurden, eine breite Antikörperreaktion gegen alle fraglichen Varianten, Omikron eingeschlossen, zeigten.
Gleiche Wirkung auf Virusreplikation und Gedächtniszellen
Wichtig ist, dass sich die Auffrischungsimpfungen auch positiv auf die B-Gedächtniszellen auswirkten, die Informationen über Antikörper gegen Erreger speichern, mit denen das Immunsystem bereits einmal Kontakt hatte. Sowohl der ursprüngliche Impfstoff als auch die aktualisierte Impfung führte bei den Tieren zu einem Anstieg an kreuzreaktiven B-Zellen – also derjenigen B-Zellen, die sich gegen viele Varianten gleichzeitig richten.
»Das ist erst mal eine sehr gute Sache«, sagt Robert Seder, einer der Mitautoren der Studie und Immunologe am amerikanischen National Institute of Allergy and Infectious Diseases in Bethesda, Maryland. Es bedeute, dass man immer noch in der Lage sei, alle bekannten Varianten mit einer Boosterimpfung mit den aktuellen Impfstoffen abzudecken. Allerdings seien in der Studie nur Immunreaktionen bis zu vier Wochen nach der Auffrischung untersucht worden. Wie lange der Anstieg der Antikörperproduktion anhält, ist also noch unklar.
Seders Gruppe brachte die geimpften Tiere anschließend auch mit Omikron-Viren in Kontakt. »Beide Booster schalteten die Virusreplikation innerhalb von zwei Tagen vollständig aus«, sagt er. Sowohl bei diesem Experiment als auch bei der Analyse der Reaktionen der B-Gedächtniszellen brachte der omikron-spezifische Impfstoff keinen signifikanten Vorteil gegenüber dem Originalimpfstoff. Eine Studie mit acht Tieren lässt natürlich keine endgültigen Schlüsse zu. Angesichts der komprimierten Zeitskalen, auf denen man sich in einer Pandemie bewege, seien die Erkenntnisse aber dennoch wertvoll, sagt David Montefiori, Direktor des Laboratory for AIDS Vaccine Research and Development am Duke University Medical Center in Durham.
Versuche mit selbstamplifizierenden Impfstoffen
Auch eine Studie an Mäusen ergab, dass die Verabreichung eines für Omikron spezifischen Auffrischungsimpfstoffs nach zwei Dosen eines herkömmlichen mRNA-Impfstoffs keinen größeren Nutzen brachte als eine normale Boosterimpfung. Die Forscherinnen und Forscher untersuchten die Wirkung des angepassten Vakzines auch bei »naiven« Mäusen, also bei Tieren, die zuvor nicht immunisiert worden waren. Dabei entdeckten sie, dass die Nager hohe Mengen an Antikörper gegen Omikron produzierten. Diese Antikörper boten jedoch nur einen begrenzten Schutz vor anderen verbreiteten Virusvarianten. Eine weitere Untersuchung an naiven Mäusen kam zu ähnlichen Ergebnissen.
Eine vierte Studie testete einen selbstamplifizierenden RNA-Impfstoff, der im Gegensatz zu den weit verbreiteten mRNA-Impfstoffen sowohl für einen Abschnitt des Virus codiert als auch für ein Enzym, das die Expression dieses Genabschnitts verstärkt. Die Wissenschaftler verabreichten Mäusen drei Dosen des Impfstoffs, der von HDT Bio in Seattle, Washington, hergestellt wurde: zwei Dosen auf der Grundlage des ursprünglichen Sars-CoV-2-Stamms, gefolgt von einer einzigen omikron-spezifischen Auffrischung. Auch hier führte die dritte Dosis nicht zu einer verstärkten Immunreaktion gegen Omikron. Eine solche Reaktion ließ sich jedoch bei Mäusen beobachten, die eine Dosis des normalen und zwei Dosen des omikron-spezifischen Impfstoffs erhalten hatten.
»Diese Studien lehren uns, wie sich das Immunsystem verhält, wenn man mit einem Variantenimpfstoff boostert«, sagt Montefiori. Sie deuteten darauf hin, dass eine einmalige Auffrischung mit einem variantenangepassten Impfstoff wahrscheinlich nicht die Lösung sei. »Es gibt wichtige Fragen, die noch geklärt werden müssen. Es bleibt zu hoffen, dass die Omikron-Studien von Pfizer und Moderna am Menschen dazu beitragen werden.«
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