Gesichtserkennung: Onlinetest sucht nach den »Super-Recognizern«
Manche Menschen sind wahre Ausnahmetalente im Wiedererkennen von Gesichtern: Haben sie eine Person einmal gesehen, können sie sich oft noch Jahrzehnte später an sie erinnern. Selbst wenn inzwischen aus der Jugendlichen von einst eine erwachsene Frau geworden ist oder sich ein Mann einen Vollbart hat wachsen lassen. Nach diesen Super-Recognizern fahnden Psychologen der University of New South Wales (UNSW) seit einiger Zeit mit einem speziell designten Onlinetest.
»Wenn die Super-Recognizer die traditionellen Tests zur Gesichtserkennung machen, schaffen sie immer die 100 Prozent. Das macht es schwierig für uns, zwischen den sehr guten und den außergewöhnlichen zu unterscheiden«, sagt James Dunn, Psychologe der UNSW in Sydney in einer Pressemitteilung.
Um die Ausnahmetalente aufzuspüren, haben sie darum einen besonders schweren Test entwickelt. »Die meisten Menschen erreichen dort ein Ergebnis zwischen 50 und 60 Prozent. Die Super-Recognizer aber erreichen mehr als 70«, sagt Dunn. Das beste Ergebnis habe 97 Prozent betragen, schreiben die Wissenschaftler in einem aktuellen Beitrag für das Fachmagazin »PLOS One«.
Dunn und Kollegen schildern nun Fälle, bei denen Menschen zwar bewusst war, dass sie besser als andere im Gesichtserkennen sind. Erst der Onlinetest, den jeder in rund 20 Minuten durchführen kann, offenbarte dann aber ihr wahres Talent. Eine gewisse Jessica etwa berichtet: »Ich machte den Test und dachte mir, juhu!, ich bin besser als mein Mann.« Erst als das Team sie kontaktierte, erfuhr sie, wie viel besser sie war. »Da ergab dann vieles in meinem Leben plötzlich Sinn.«
Zahlreiche Super-Recognizer hätten hingegen schon gelernt, mit ihrer Fähigkeit lieber hinter dem Berg zu halten, schreiben die Wissenschaftler. Etwa eine Frau namens Sallie: »Ich muss oft so tun, als hätte ich jemanden noch nie gesehen oder getroffen. ›Hi, ich hab dich letzte Woche im Woolworth gesehen‹ – das klingt, als wäre man ein Stalker.«
Das Ziel der Forscher ist es, mit Hilfe der Super-Recognizer unter anderem herauszufinden, wie das Gehirn Gesichter verarbeitet. Dazu würden die, die am besten abschneiden, ins Labor geladen und weiteren Tests unterzogen, um zu bestätigen, dass ihre Ergebnisse wirklich weit über dem Durchschnitt liegen. Offenbar handelt es sich bei dem Ausnahmetalent um eine angeborene Fähigkeit, die sich durch Training nicht erreichen lässt. Super-Recognizer seien darum gefragt – bei der Polizei, aber auch bei vielen anderen Einrichtungen und Behörden, bei denen es darum geht, Menschen zu identifizieren. »Sogar Casinos«, sagt Dunn, würden nach ihnen suchen.
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