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Open Science: NASA und IBM machen Geodaten-KI für alle zugänglich

Das KI-Basismodell wurde mit Satellitendaten trainiert und soll der Erdbeobachtung sowie der Forschung zum Klimawandel dienen. Das Prithvi (»Mutter Erde«) genannte Modell steht als Open Source allen Interessenten bereit.
Falschfarbenansicht einer Gebirgslandschaft von oben, aus Satellitendaten erzeugtes Bild
Geodaten-KI: Raumbezogene Intelligenz erweitert Erdbeobachtung und soll Klimaforschung beschleunigen.

Die NASA und IBM Research haben auf der KI-Plattform Hugging Face ein großes KI-Basismodell veröffentlicht, das sie mit Satellitendaten trainiert haben. Die Raumfahrtbehörde und das IT-Unternehmen haben das Modell namens Prithvi für die Erdbeobachtung seit Januar 2023 gemeinsam entwickelt, auch die Europäische Weltraumorganisation ESA, das Oak Ridge National Laboratory des U.S. Department of Energy und weitere Forschungsinstitute waren daran beteiligt.

Prithvi Mata ist der Sanskritname für »(Mutter) Erde«, aber auch der Name einer hinduistischen Gottheit. Das Prithvi-Modell steht als Open Source allen Interessierten zur Verfügung und soll unter anderem offene Forschung (Open Science) zur Eindämmung der Folgen des Klimawandels fördern. Prithvi, genau genommen eine Modellfamilie, lässt sich für ein breites Spektrum an Einsatzzwecken nutzen, etwa um nachzuvollziehen, wie sich die Landnutzung global ändert, um Naturkatastrophen zu überwachen und um Ernteerträge vorherzusagen.

Trainingsgrundlage für Prithvi waren unter anderem die Daten von Landsat-Satelliten, einer Serie ziviler Satelliten der NASA zur Fernerkundung der kontinentalen Erdoberfläche sowie der Küstenregionen, mit denen natürliche Ressourcen kartiert werden und sich Veränderungen durch natürliche Prozesse sowie menschliche Eingriffe erfassen lassen. Seit 1972 sind insgesamt acht solcher Satelliten gestartet worden. Ihre Sensoren sammeln Fernerkundungsdaten, die die NASA auf einer internen Plattform sammelt. Zudem wurde das KI-Modell mit Daten von Sentinel-2-Satelliten trainiert, die hingegen Aufnahmen im sichtbaren und infraroten Spektrum liefern und Landoberflächen beobachten.

Mit ihrer Auflösung und Abtastbreite erkennen sie Veränderungen der Vegetation, und ihre Daten erlauben etwa Erntevorhersagen, dienen zum Kartieren von Waldbeständen und helfen, das Wachstum von Wild- und Nutzpflanzen zu bestimmen. Auch für Küsten und Binnengewässer werden Sentinel-2-Daten herangezogen; etwa, um das Algenwachstum zu überwachen und den Sedimenteintrag in Flussdeltas nachzuvollziehen. Beide Datenquellen gemeinsam bezeichnet die NASA als harmonisierte Landsat- und Sentinel-2-Daten (HLS).

»Mutter Erde« als Basismodell für die Erdbeobachtung

Das NASA-KI-Modell Prithvi gehört zur Klasse der »foundation models«, zu Deutsch Basismodelle. Solche grundlegenden Modelle sind auf einem breiten Satz unbeschrifteter Daten trainiert. Sie lassen sich für eine Vielzahl von Aufgaben einsetzen und können Muster und Zusammenhänge in neuen Daten erkennen, die einen großen Überblick und viel Rechenzeit erfordern. »Foundation models« sind nicht auf einen spezifischen Einsatzzweck oder begrenzte Aufgabenbereiche festgelegt, sondern können als Grundlage für weitere, davon abgeleitete Modelle und Anwendungen dienen.

»›Foundation models‹ bieten enormes Potenzial für die Erdbeobachtung, um komplexe wissenschaftliche Probleme zu lösen und den breiteren Einsatz von KI in Anwendungen zu beschleunigen«Rahul Ramachandran

»KI-Basismodelle können die Art und Weise verändern, wie wir Beobachtungsdaten auswerten, und uns dabei helfen, unseren Planeten besser zu verstehen«, erklärt Kevin Murphy, Chief Science Data Officer der NASA, in einem Blogeintrag. Man hoffe laut Murphy, dass das Offenlegen der NASA/IBM-Modelle Forschungsteams weltweit dabei unterstütze, vernetzte Prozesse auf unserem Planeten und Klimaauswirkungen menschengemachter Eingriffe einzuordnen. Leistungsfähige Machine-Learning-Modelle können dabei große Datenmengen rascher als zuvor verarbeiten.

Rahul Ramachandran, leitender Wissenschaftler beim Marshall Space Flight Center der NASA in Alabama und Leiter des federführenden IMPACT-Teams (Interagency Implementation and Advanced Concepts Team), ergänzt: »›Foundation models‹ bieten enormes Potenzial für die Erdbeobachtung, um komplexe wissenschaftliche Probleme zu lösen und den breiteren Einsatz von KI in Anwendungen zu beschleunigen.«

Geodatenmodelle einfach selbst erstellen

Die Herausgeber von Prithvi stellen das Modell in verschiedenen Ausführungen als Mutterserie quelloffen bereit und machen es somit frei zugänglich. Prithvi ist auf der KI-Plattform Hugging Face hinterlegt, die quelloffene Projekte hostet. Die Veröffentlichung als offene und freie Software (Open Source) soll laut NASA und IBM den Wissensaustausch unter Fachleuten fördern und das Bewältigen kritischer Umweltherausforderungen beschleunigen. Über die in der Community etablierte Plattform Hugging Face soll das Trainieren und Einsetzen von Geodatenmodellen einfacher als bisher möglich sein: Open-Science-Teams können hier ebenso auf die Modelldaten, den Code, die Schnittstellen und Gewichte zugreifen wie Start-ups und große Unternehmen. Teams, die an Geodatenmodellen arbeiten, sollen laut den Herausgebern die Datenverarbeitungs-Pipelines der NASA-Modellfamilie bei Hugging Face gemeinsam nutzen können. Das ist laut den beiden Forschungspartnern (NASA und IBM) wichtig für die globale Zusammenarbeit an großen Forschungsprojekten zur Erdbeobachtung.

»Mutter Erde« – Demo des Geodaten-KI-Modells »Prithvi« von NASA und IBM

Auf dem Youtube-Kanal von IBM Research kann man sich eine Vorführung von Prithvi ansehen. Vertiefende Informationen zum Forschungsprojekt, zu den technischen Hintergründen der Datenvisualisierung und der Architektur sowie zu Einsatzszenarien des Modells Prithvi lassen sich einem Blogeintrag auf der NASA-Website unter »EarthData – Open Access for Open Science« entnehmen. In der jetzigen frühen Phase des Projekts erhoffen sich die Forscherinnen und Forscher von NASA und IBM Research demzufolge Feedback zu den Vorzügen und Nachteilen ihres Modells und eine möglichst breite Evaluierung in praxisnahen Anwendungen.

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