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Physiologie: Opfer der Gene?

Schlechte aerobe Ausdauer bedeutet hohe Wahrscheinlichkeit für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine einfache Gleichung, die sich leicht durch Training in eine – gesundheitlich gesehen - positive Richtung verschieben lässt. Ungünstige genetische Veranlagung kann dagegen nur bedingt als Ausrede herhalten.
Rennende Ratte
Das Leben ist ungerecht: Die einen sind ohne tägliches Lauftraining unglücklich, andere hingegen geraten schon ins Schwitzen, wenn sie nur ans Joggen denken. Das wäre für den modernen Menschen, dessen Lebensführung vom Sitzen geprägt ist, an sich nicht so tragisch. Doch allzu ausgiebige körperliche Untätigkeit ist der Gesundheit abträglich, und so wird aerobes Ausdauertraining als Gegenmaßnahme propagiert – der Laufmuffel gerät somit in Handlungszwang. Ob er sich dem Bewegungsdiktat der Gesundheitsapostel tatsächlich beugen muss, oder ob er auch mit eher schwacher aerober Leistungsfähigkeit ganz gut wegkommt, überprüfte jetzt ein internationales Team um Steven Britton von der Universität Michigan an unterschiedlich laufstarken Ratten.

Die Forscher starteten zunächst eine Rattenzucht mit 80 Männchen und 88 Weibchen, die auf einem Laufband mit zunehmender Geschwindigkeit im Schnitt 23 Minuten lang durchhielten, bevor sie vollkommen erschöpft aufgaben. Die jeweils 13 laufstärksten und laufschwächsten Tiere wählten die Wissenschaftler als Ausgangsindividuen für die Zucht einer Linie von Hochleistungsläufern beziehungsweise schwächeren Trabern aus.

Elf Generationen später hatten sich extreme Leistungsunterschiede herausgebildet: Die starken Nager rannten locker für eine Dauer von 41 Minuten, die Leistungsschwachen hingegen waren schon nach 14 Minuten auf dem Laufband völlig am Ende. Große Unterschiede beobachteten Britton und seine Kollegen auch bei den gesundheitsrelevanten Faktoren der Tiere: Die Ausdauerschwachen hatten einen höheren Blutdruck als ihre fitten Artgenossen, sie waren außerdem resistent gegen Insulin, hatten sich deutliche Fettpölsterchen zugelegt und waren entsprechend schwerer – kurzum: Sie zeigten ungünstige körperliche Werte, die als erhöhtes Risiko für Herzkrankheiten gelten.

Auch in der Energiebereitstellung unterschieden sich die beiden Rattengruppen voneinander. Die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zelle, waren bei den Dauerläufern besser ausgestattet mit den zur Energiegewinnung notwendigen Enzymen und Proteinen als bei den konditionell Schwachen. Das bleibt nicht ohne Folgen. Denn liefern die Mitochondrien nicht ausreichend Energie, kann der Körper den Blutdruck nicht ordentlich aufrechterhalten, das Herz pumpt schlechter und die Zellen werden ungenügend mit Sauerstoff versorgt – alles in allem ist die kardiovaskuläre Funktion beeinträchtigt.

Die fitten Ratten hatten also im Laufe der Zucht Gene akkumuliert, die ihnen optimale Ausdauerleistungen und gute kardiovaskuläre Voraussetzungen garantieren. Die laufschwachen Tiere hingegen hatten schlechtere Karten für den Gesundheitszustand bekommen. Doch auch sie – wenn auch mit weniger günstigen genetischen Voraussetzungen gesegnet – sind diesen keineswegs hilflos ausgeliefert, wie der zweite Versuchsteil zeigte.

Ratte auf Laufband | Training macht fit – auch wenn die Gene eher unsportliche Voraussetzungen bieten.
Britton und seine Kollegen schickten nämlich ihre unterschiedlich laufstarken Ratten ins Trainingscamp: Die Tiere mussten sechs Wochen lang an fünf Tagen pro Woche für anderthalb Stunden aufs Laufband und rennen, rennen, rennen. Mit Erfolg: Auch die konditionell schwächeren Tiere verbesserten ihre sportliche Leistung und ihre Herzfunktion – wenn auch in geringerem Ausmaß als ihre fitten Artgenossen.

Chronische Sportmuffel sollten sich also nicht auf eine ungünstige genetische Konstellation berufen, sondern sich von den laufschwachen Nagern ermutigen lassen, sich doch regelmäßig zum Ausdauertraining aufzuraffen. Dadurch werden sie zwar vermutlich kaum zu Topathleten avancieren, mit Sicherheit tun sie aber ihrer Gesundheit etwas Gutes.

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