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Seinerzeit gab es noch keine Computer, und so musste Turing bei seinem mathematischen Modell vieles vereinfachen. Lange Zeit blieben diese Arbeiten deshalb unbeachtet; erst in den siebziger Jahren wurde seine Theorie wieder aufgegriffen - und zwar von den deutschen Forschern Alfred Gierer und Hans Meinhardt vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen.
Sie postulierten, dass für die Strukturbildung nur zwei Mechanismen notwendig sind: Aktivierung und Hemmung. Irgendwie würden in dem einen Fall geringe Unterschiede verstärkt und in dem anderen Fall gebremst. Auf diese Weise könnten es beispielsweise chemische Signale sein, welche die Entwicklung bestimmter Zelltypen und damit das Heranwachsen eines Embryos steuern. Genauso entstehen vermutlich auch gestreifte oder gepunktete Flügeldecken von Käfern, die Strukturen von Muscheln - und die Friedhöfe von Ameisen.
Denn auch bei ihnen gibt es nach Ansicht von Guy Theraulaz von der Université Paul Sabatier in Toulouse und seinen Mitarbeitern einen Prozess der Aktivierung und Hemmung, der die Ameisen der Art Messor sancta veranlasst, ihre toten Artgenossen im Zuge der Reinhaltung nicht irgendwo abzulegen, sondern auf regelmäßig angeordneten Haufen. Die Forscher vermuten, dass eine Ameise den Leichnam einer anderen einfach bevorzugt dort ablegt, wo schon andere Körper liegen. Auch einzelne, dazwischen liegende Ameisen werden zu den Haufen geschafft, sodass die Turing-Struktur nach und nach an Schärfe gewinnt.
Mithilfe des mathematischen Modells trafen die Forscher sogar die Abstände der einzelnen Friedhöfe und konnten somit erstmals nachweisen, dass auch höhere Organismen Turing-Strukturen ausbilden. Es könnte gut sein, dass sogar ganze Ökosysteme mit ihren komplexen Netzwerken - beispielsweise den Räuber-Beute-Beziehungen - auf der Basis der von Turing entdeckten Gesetzmäßigkeiten funktionieren.
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