Materialwissenschaft: Ordnung in der Unordnung
Amorphes Silizium ist keineswegs so strukturlos wie bisher vermutet. In Computersimulationen, die sie mit extrem hoch aufgelösten elektronenmikroskopischen Daten abglichen, fanden Forscher um Michael Treacy von der Arizona State University Indizien für kristalline Bereiche mit Größen von etwa 10 bis 20 Angström. Diese Inseln der Ordnung sind eingebettet in eine Matrix aus Silizium ohne regelmäßige Struktur. Mit bisherigen Verfahren konnte man derartige Strukturen nicht nachweisen, die Forscher glauben deswegen, dass das Ergebnis auf viele andere amorphe Materialien zutreffen könnte. Amorphes Silizium findet in der Elektronik und besonders bei modernen Solarzellen Verwendung.
Während Kristalle dank ihrer regelmäßigen Strukturen vorhersagbar mit Strahlung und Materie wechselwirken und deswegen einfach zu entschlüsseln sind, ist über den inneren Aufbau amorpher Stoffe wenig bekannt. Obwohl sie keine Fernordnung aufweisen, sind die Atome in ihnen keineswegs regellos verteilt, die entstehenden Strukturen jedoch sind zu klein, um sie direkt zu beobachten. Deswegen greifen Forscher auf Computersimulationen zurück, um amorphe Materialien auf atomarer Ebene zu beschreiben. Diese schienen bislang darauf hinzudeuten, dass amorphes Silizium aus einer homogenen Mischung von Ringen aus fünf, sechs und sieben Atomen besteht – in kristallinem Silizium ist jedes Atom Mitglied von sechs Sechsringen.
Mit Hilfe der Fluktuationselektronenmikroskopie (FEM) jedoch konnten die Forscher zeigen, dass amorphes Silizium keineswegs so homogen ist, wie man bisher auf der Basis der Modelle gedacht hatte. Die FEM bildet nicht das Material selbst ab, sondern die Weise, wie sich dessen Verhalten gegenüber Elektronen über kurze Strecken verändert. Dabei stellte sich heraus, dass die inneren Strukturen des amorphen Siliziums über kurze Strecken sehr unterschiedlich sein können – und dass kleine Flecken des Materials Elektronen ebenso streuen, wie es ein Kristall täte. Die Wissenschaftler spekulieren jetzt, dass amorphe Materialien allgemein Bereiche hoher Ordnung aufweisen könnten, während sie über größere Bereiche völlig ungeordnet erscheinen. Ein ähnliches Phänomen entdeckte Daniel Shechtman schon bei den Quasikristallen, wofür er letztes Jahr den Nobelpreis für Chemie erhielt.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben