News: Ordnung ist das halbe Leben - Unordnung auch
Nicht so beim Wasser, dessen Moleküle geraten unter steigendem Druck immer mehr in Unordnung. Auf den ersten Blick könnte man meinen, es handele sich dabei einfach um eine weitere Anomalität des Wassers. Seit der Schule wissen wir, dass sich vier Grad Celsius kaltes Wasser - egal, ob man es erwärmt oder abkühlt - in jedem Fall ausdehnt. Deshalb schwimmen Eisberge auf den Ozeanen und steigen warme Wassermassen auf. Ein weniger offensichtliches Beispiel ist die mit ansteigender Dichte höhere Diffusionsgeschwindigkeit der Wassermoleküle.
Nun scheint, als stünden diese sonderlichen Eigenschaften miteinander in Beziehung, denn Pablo Debenedetti und Jeffrey Errington vom Chemical Engineering Department der Princeton University kommen zu dem Schluss, dass das Maß der strukturellen Ordnung Ursache für die anomalen Eigenschaften des Wassers ist. Debenedetti und Errington entwickelten ein System, mit dem sie die strukturelle Ordnung zwischen den Wassermolekülen messen konnten. Dabei beobachteten sie, dass die Wassermoleküle in einem Glas in geordneten Clustern umhertreiben. Infolge steigenden Drucks lösen sich diese Verbände. Im Gegensatz zu anderen Flüssigkeiten, bei denen genau das Gegenteil geschieht, steigt beim Wasser mit dem Druck somit auch die Unordnung. Mithilfe von Computersimulationen zeigten die Forscher, dass jene beiden anomalen Eigenschaften des Wassers - das Dichtemaximum bei vier Grad Celsius und die unter Druck höhere Diffusionsgeschwindigkeit - vermutlich direkte Folge der Molekülordnung sind (Nature vom 18. Januar 2001).
Debenedetti und Errington stellen mit ihren Ergebnissen eine denkwürdige, wenngleich plausible These auf. "Für mich ist diese Arbeit von grundlegender Bedeutung", kommentiert Eugene Stanley vom Center for Polymer Studies der Boston University die Veröffentlichung seiner Kollegen. "Die beiden haben zwei Vorstellungen miteinander verknüpft, von denen bisher niemand im Traum daran dachte, dass sie miteinander in Beziehung stehen könnten."
Errington will in Zukunft auch die anderen Anomalien des Wassers überprüfen. Sogar einen konkreten Nutzen sieht der Forscher schon, nämlich in der pharmazeutischen Industrie, die Proteine in eine schützende Schicht aus Zuckermolekülen bettet. Möglicherweise gibt es bestimmte Zucker, die sich - je nach Anordnung der Wassermoleküle - dafür besser eignen. Aber bevor die Forscher diese Frage beantworten können, muss sich ihre Theorie zur Bedeutung der Wasserstruktur auch in komplexen wässrigen Lösungen bewähren.
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