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News: Orientierungslos im All

Raumsonden leben gefährlich. Neben Kometen, Asteroiden und unzähligen kleinen Gesteinsbröckchen, die mit hoher Geschwindigkeit unser Sonnensystem unsicher machen, gibt es auch weniger greifbare Verkehrsteilnehmer im Universum. Einen ganzen Teilchen- und Partikelzoo schleudert unserer Zentralgestirn bei einer Sonneneruption in die Weiten. Raumfahrzeuge haben keinen wirksamen Schutz gegen diese Strahlung und müssen einen Sturm stoisch ertragen. Die Sonde Stardust hatte vor wenigen Tagen eine wuchtige Begegnung mit einer Wolke hochenergetischer Partikel. Das Zusammentreffen hatte für einiges Durcheinander gesorgt, nach etwas Zeit zur Erholung konnte Stardust die Mission aber fortsetzen.
Die Raumsonde Stardust ist am 7. Februar 1999 zu ihrer langen Reise zum Kometen P/Wild 2 angetreten. 2004 soll sie ein Rendezvous mit dem umtriebigen Himmelskörper haben, auf 150 Kilometer an ihn heranfliegen und Partikelproben nehmen. Schließlich soll die weitgereiste Sonde zur Erde zurück kommen und die Proben per Fallschirm über Utah abwerfen.

Am 8. November 2000 passierte es dann. Auf der Sonne gab es eine gigantische Eruption – die viertgrößte seit 1976. Sie schleuderte eine Riesenwolke hochenergetischer Teilchen mit einer Geschwindigkeit von 20 000 Kilometern pro Stunde geradewegs auf Stardust zu. Techniker der NASA waren schon ein wenig besorgt, da Stardust gerade mal 1,4 Astronomische Einheiten, also rund 200 Millionen Kilometer, vom Ursprung des Ausbruchs entfernt war. Wie sich herausstellte, war die Sorge durchaus berechtigt.

Die kosmische Keule traf die Sonde, wie erwartet, mit voller Breitseite. Vor dem elektronischen Auge des Flugobjekts tanzten auf einmal hunderte von Sternen. Irritiert von dem plötzlichen Schlag schaltete das Raumfahrzeug zwischen den elektronischen Systemen auf beiden Seiten des Schiffs hin und her, rollte nochmal um die eigene Achse, bevor es völlig benommen die "Augen" schloss und alle Kameras abschaltete. Was war passiert?

In zwei Kameras, die zur Orientierung der Sonde im All dienen, ist ein Horde hochenergetischer Teilchen eingeschlagen. Die schnellen Protonen aus dem Sonnenwind elektrisierten einzelne Pixel der Bildaufnahmegeräte. Für Stardust sahen die so produzierten Punkte wie Sterne aus, und davon gab es auf einmal eine ganze Menge. Die zwölf Hellsten dienen normalerweise zur Positionsbestimmung des Raumfahrzeuges, unglücklicherweise handelte es sich bei den vermeintlichen Sternen, nur um die Nachwirkung des Protonenbeschusses.

Recht hilflos, orientierungslos mitten im All treibend beschloss die Sonde sicherheitshalber in den Standby-Modus zu wechseln. Währenddessen versuchte sie erneut ihre Position mithilfe von zwei anderen Kameras zu bestimmen. Aber auch diese gaukelten ihr nur hunderte falscher Sterne vor. Selbst der Wechsel zwischen den elektronischen Systemen auf beiden Seiten des Raumsschiffs half nicht weiter. Also drehte sich Stardust langsam, streckte seine Solarzellen in Richtung Sonne und harrte der Dinge, die da kommen mögen.

Die Flug-Kontrolle hörte am Morgen nach der Sonneneruption keinen Pieps mehr von ihrer Sonde. Die Techniker schlossen daraus, dass Stardust getroffen und zunächst einmal auf Bereitschaft geschaltet hat. Sie konnten also nur hoffen, dass sich das Raumschiff innerhalb von 24 Stunden melden würde, wie es die Bordsoftware in so einem Fall vorsieht.

Schließlich am 11. November hatte die Bodencrew wieder Kontakt mit Stardust. Die Bodenstation setzte zunächst die Kameras zurück. Während die Kontrolle die aufgenommenen Bilder überprüfte, benutzten Techniker eine alternative Methode, um das Raumschiff "von Hand" neu zu orientieren. Die Auswertung der übertragenen Bilder ergab, dass das Protonenbomardement gleich so heftig gewesen war, dass auch abgedeckte Bereiche der Kamera belichtet wurden.

Nachdem die Bodenkontrolle den Befehl zum Aufwachen gegeben hat, begannen am 13. November alle Kameras wieder ordnungsgemäß zu arbeiten. Auch die selbstständige Orientierung der Sonde funktionierte damit wieder einwandfrei, wie die Ingenieure anhand einiger Tests feststellten. Die abschließende Kontrolle von Bildern, die einige Tage nach dem Protonenaufprall entstanden, zeigt das sich auch die Kameras vollständig erholt haben und nur noch wie erwartet den Sternenhimmel inklusive der Planeten Jupiter und Saturn zeigen.

Siehe auch

  • Quellen

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