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Plattentektonik: Ortstreu?

Spätestens seit Alfred Wegener haben wir die Gewissheit: Die Kontinente der Erde bewegen sich und driften angetrieben von unterirdischen Kräften über den Planeten - und das schon seit Milliarden Jahren. Doch ausgerechnet Pangäa, der größte unter ihnen, soll eine lange Pause eingelegt haben.
Versteinerte Sanddüne
Gesteine sind das Geschichtsbuch der Erde: Ihre Mineralien geben Auskunft, unter welchen äußeren Bedingungen sie entstanden waren, ihre Isotopenverteilung verrät das Alter, und eingeschlossene Fossilien gewähren Einblicke in vergangene Ökosysteme. Und sogar die Lage der Kontinente zu einem bestimmten Zeitpunkt lässt sich über sie rekonstruieren, richten sich doch in den Sedimenten oder Gesteinsschmelzen vorhandene eisenhaltige Kristalle nach dem jeweils herrschenden Magnetfeld der Erde aus.

Versteinerte Sanddüne | Versteinerte Sanddüne aus dem Vermillion Cliffs National Monument in Arizona, die sich aus den Ablagerungen von insgesamt drei großen Dünen aus dem Jura zusammensetzt. Entstanden ist sie vor 200 Millionen Jahren knapp oberhalb des Meeresspiegels in einem langsam absinkenden Sedimentationsbecken. Zirkulierendes Grundwasser hat mit seinen Mineralien, die Sandkörner gekittet, die sich anschließend versteinerten. In den letzten zehn Millionen Jahren wurden sie wieder gehoben und der Erosion preisgegeben.
Dieses Magnetfeld verändert sich aber selbst und bleibt nicht ortstreu, wie der wandernde magnetische Nordpol sowie regelmäßige Umpolungen zwischen Nord und Süd belegen. Mineralien wie Magnetit bewahren die jeweilige Position zum Zeitpunkt ihrer Versteinerung und fixieren sie für alle Zeiten – oder zumindest so lange, bis sie wieder aufgeschmolzen werden. Somit lässt sich die Richtung zum Nordpol, die Drehung von Kontinenten und – indem man misst, wie stark die Kristalle magnetisiert wurden – eine eventuelle Wanderung zwischen Nord- und Südpol und damit die geografische Breitenlage der Gesteine zum Zeitpunkt ihres Erstarrens nachvollziehen.

Anhand dieses Archivs konnten Geologen beispielsweise ermitteln, dass sich der Superkontinent Pangäa – er vereinte zwischen Perm und Jura quasi die gesamte Landmasse der Erde in sich und reichte von Pol zu Pol – trotz seiner Größe ebenfalls von den Kräften des Erdinneren von Süd nach Nord bewegte. Ursprünglich lag demnach sein Zentrum rund um den Äquator, doch im Laufe seiner 100 Millionen Jahre währenden Existenz verschob sich der Mittelpunkt um etwa zwanzig Grad nach Norden; in etwa dahin, wo sich heute der Süden der Vereinigten Staaten befindet. Erst dann, im Jura vor etwa 150 Millionen Jahren, zerfiel Pangäa an dieser Stelle und spaltete sich in Laurasia im Norden sowie Gondwana im Süden auf, aus denen weitere 15 Millionen Jahre später unsere heute bekannten Kontinente hervorgingen.

Navajo-Sandstein im Capitol-Reef-Nationalpark | Anhand der Stratigraphie der Gesteine schließen die Forscher, dass die Sedimente der versteinerten Düne stets unter gleichen klimatischen Bedingungen abgelagert haben. Über hundert Millionen Jahre hinweg soll in der Region ein monsunales Windsystem geherrscht haben. Pangäa wäre demnach ortstreu gewesen. Paläomagnetische Daten legen dagegen nahe, dass der Superkontinent in dieser Zeit nach Norden gedriftet ist.
Wichtig ist die Position der Kontinente nicht nur für Geologen, sondern ebenso für Paläontologen und Klimaforscher, bestimmt doch die Lage der Landmassen die jeweiligen klimatischen und biologischen Bedingungen mit. Doch womöglich muss dieser Abschnitt der Erdgeschichte nun umgeschrieben werden, meinen Geowissenschaftler um Clinton Rowe von der Universität von Nebraska in Lincoln: Entweder verharrte Pangäa ortstreu an ein und derselben Stelle über Millionen Jahre hinweg – was Zweifel an paläomagnetischen Daten und deren Interpretation weckt – oder aber die zonale Aufteilung der Klimaverhältnisse unterschied sich zur damaligen Zeit grundlegend von der heutigen.

Ihre Zweifel gründen auf Sandsteinformationen im Vermillion Cliffs National Monument auf dem Colorado-Plateau der US-Bundesstaaten Utah und Arizona, deren Sedimente zwischen dem frühen Perm und dem frühen Jura abgelagert und in wandernden Dünen verfrachtet worden waren – und zwar konstant in eine Richtung, sodass sich das verantwortliche Windsystem nicht wandelte. Stets bliesen die Winde aus Nordost, überquerten sie den Äquator, drehten sie auf Nordwest, so wie das im heutigen Passat-System auch der Fall ist. Deshalb, schlussfolgern die Forscher, muss die Region während der gesamten Zeitspanne permament in der gleichen Klimazone gelegen haben: rund um den Äquator oder knapp südlich davon. Erst deutlich später wäre Pangäa demnach gen Norden gedriftet.

Eine Theorie, die sie mit Computersimulationen des damaligen Klimas untermauern können: Gleich ob die Wissenschaftler heutige atmosphärische Kohlendioxid-Konzentrationen in ihr Modell einspeisten oder die achtfache Menge – und entsprechend den Treibhauseffekt anheizten –, es ergaben sich nur geringfügige Unterschiede im Zirkulationsgeschehen. Die für die Dünenmodellierung verantwortlichen Windsysteme und Niederschlagsverhältnisse stellten sich immer nur rund um den Äquator ein und nie weiter nördlich.

Doch passen diese paläoklimatischen Erkenntnisse nicht mit den paläomagnetischen Daten zusammen, nach denen sich Pangäa und damit das Gebiet des heutigen Colorado-Plateaus im Laufe der damaligen Zeit vom nullten zum zwanzigsten Breitengrad Nord verlagert haben musste. In diesem Fall sollten sich die klimatischen Bedingungen und damit die Ablagerung der Sedimente ebenfalls verändern.

Navajo-Sandstein im Zion-Nationalpark | Die geneigten Linien im Sandstein deuten an, dass seine Sedimente in einem großen Dünenfeld abgelagert worden waren.
Rowe und seine Kollegen bringt dies in eine Zwickmühle, da beide Erkenntnisbereiche nach heutigem Wissensstand eigentlich nicht gleichzeitig korrekt sein können. Für den Paläomagnetismus sprechen robuste Daten aus anderen Teilen der Welt, sodass die Forscher es noch nicht wagen, die zeitliche Rekonstruktion der Plattentektonik zwischen Perm und Jura über den Haufen zu werfen. Andererseits lassen sich auch die paläoklimatischen Erkenntnisse nicht von der Hand weisen – selbst wenn man die doch vergleichsweise vage Modellierung des damaligen Wettergeschehens nicht beachtet. Möglich wäre daher, dass sich Dünen damals anders bildeten als heute (eher unwahrscheinlich), oder die bislang bekannten paläogeografischen Szenarien des Superkontinents sind noch unzureichend, um die entsprechend nötigen Windsysteme nachzustellen.

Vielleicht beeinflussten allerdings dritte, noch unzureichend bekannte Größen diese Prozesse: extraterrestrische Parameter wie die Erdumlaufbahn um die Sonne beispielsweise. Sie steuert die Sonneneinstrahlung, die im Laufe des Jahres auf einen bestimmten Breitengrad trifft. Obwohl Pangäa nach Norden wanderte, könnte dies für ein dauerhaftes Passat-Klima und die entsprechenden Sandhaufen gesorgt haben.

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