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Otitis externa : Wenn wegen einer Ohrenentzündung das Kiefergelenk streikt

Starke Schmerzen und Juckreiz? Nicht jede Entzündung des äußeren Ohres ist eine harmlose »Badeotitis«. Vor allem bei Diabetes kann eine Otitis externa auch in umgebendes Gewebe eindringen.
Eine Ärztin untersucht das Ohr eines Mädchens und leuchtet dabei mit einem Gerät hinein.

Sei es nach dem Schwimmen als »Badeotitis«, über das Stethoskop beim Check-up oder wegen eines Hörgeräts – es gibt viele Möglichkeiten, sich eine Außenohrentzündung zu holen. Auch Otitis externa genannt. Die Ursachen sind vielseitig, doch immer häufiger sorgen Pilze für Schmerzen, Juckreiz, gar Eiter, wie eine britische Untersuchung zeigt.

Bei einer Otitis externa handelt es sich um eine Infektion des äußeren Gehörgangs. Rund zehn Prozent der Bevölkerung sind im Lauf ihres Lebens davon betroffen, Frauen etwas häufiger als Männer. In den meisten Fällen tritt sie einseitig auf, in nur zehn Prozent der Fälle sind beide Ohren betroffen. Die Krankheit kann unterschiedlich schwer verlaufen. Zumeist lösen stäbchenförmige Bakterien namens Pseudomonas aeruginosa die Entzündung aus. Andere Krankheitsverursacher sind Staphylokokken. Aber auch Pilze sind für zahlreiche Fälle verantwortlich, wie aus der aktuellen Studie hervorgeht.

Abstriche von 217 Otitis-externa-Patienten hat das Studienteam untersucht. In 31 Prozent der Proben stellte es Pseudomonas aeruginosa fest, in 23 Prozent Candida-Spezies und in zwölf Prozent Staphylococcus aureus. Des Weiteren fanden sich in zehn Prozent der Abstriche koagulase-negative Staphylokokken, in sechs Prozent Aspergillen sowie in fünf Prozent gramnegative Stäbchen. Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Heinrich Iro vom Universitätsklinikum Erlangen hat die Ergebnisse auf einem Seminar für Ärztinnen und Ärzte, dem »Praxis Update«, vorgestellt.

Juckreiz spricht für Pilzinfektion

Es gibt diverse Möglichkeiten, eine akute Außenohrentzündung zu behandeln: Schmerztherapie, Reinigung des Gehörgangs, Behandlung mit antiseptischen und antimikrobiellen Substanzen. Zu wissen, was die Krankheit verursacht, hilft, schnellstmöglich die passende Therapie zu finden und so schwere Verläufe zu verhindern. Auch deshalb sind die aktuellen Erkenntnisse nützlich.

Angesichts möglicher Pilzinfektionen, die eher Juckreiz hervorrufen, desinfizieren Ärztinnen und Ärzte bei unkomplizierten Fällen zunächst das Ohr direkt, etwa mit Isopropylalkohol. Klingen die Beschwerden nach spätestens drei Tagen nicht ab, bekommen Betroffene Antibiotika. Mittel der Wahl ist Ciprofloxacin. Darauf reagierten in der Studie 98 Prozent der stäbchenförmigen Pseudomonaden.

Allerdings, darauf hat HNO-Arzt Iro ausdrücklich hingewiesen: Ciprofloxacinhaltige Ohrentropfen verdoppeln das Risiko für Risse im Trommelfell im Vergleich zu Mitteln mit Neomycin. Darüber seien die Patientinnen und Patienten aufzuklären. Das, führte er fort, »sollte aber niemanden dazu verleiten, wieder zu den alten Ohrentropfen zurückzukehren«. Von dem Breitbandantibiotikum Neomycin wird wegen seiner durchaus zerstörerischen Wirkung von Substanzen auf das Innenohr mittlerweile abgeraten.

Nun kann die Entzündung aber eben nicht nur akut, sondern – vor allem bei fehlender oder unwirksamer Behandlung – auch chronisch oder nekrotisierend sein. Anzeichen dafür sind, dass es nicht nur im Gehörgang und bei Druck auf den Knorpelanteil der Ohrmuschel schmerzt, sondern auch in Kiefergelenk oder Ohrspeicheldrüse. Für eine Otitis externa necroticans spricht zudem, wenn Körnchen im Gehörgang und Rötungen des äußeren Ohres zu sehen sowie die Lymphknoten geschwollen sind oder die Blutsenkung erhöht ist. HNO-Arzt Iro berichtete: »Die Entzündung geht über den äußeren Gehörgang hinaus, in den Knochen hinein, in die Weichteile.« Sie kann sich zum Beispiel ins Kiefergelenk ausbreiten. Wenn dies geschieht, haben die Patienten Probleme, den Mund zu öffnen.

Otitis externa necroticans oft bei Diabetikern

Üblicherweise müssen Kranke in die Klinik, wenn Gelenke, Knochenmark oder Knochen entzündet sind. Ärzte sprechen dann auch von Osteomyelitis. Schlimmstenfalls wird die Erkrankung lebensbedrohlich.

Für solche besonders schweren Fälle sind meist Pseudomonas verantwortlich. Da überwiegend Diabetiker betroffen sind, spricht man auch vom »diabetischen Ohr«. Hier kann ebenfalls die passende Therapie helfen – vor allem, wenn der Blutzuckerspiegel unter Kontrolle ist. Patienten, bei denen dies nicht der Fall sei, »haben in der Regel einen Verlauf, der kritisch ist und tatsächlich auch letal enden kann durch eine Osteomyelitis des Felsenbeins, die von der einen zur anderen Seite hinübergehen kann und uns deswegen chirurgisch vor ganz, ganz große Probleme stellt«, erklärt Iro.

In einer Studie aus Israel waren fast 93 Prozent von 81 Patienten mit Otitis externa necroticans an Diabetes erkrankt. Die Studie stützt die Beobachtung, dass es besonders oft Patienten mit langjährigem, schlecht eingestelltem Diabetes trifft. Allerdings sind selbst Gesunde nicht völlig vor einer schweren Infektion gefeit.

»Es ist essenziell, dass wir [Ärzte] eine mikrobiologische Diagnostik durchführen, mit einer antibiogrammgerechten Therapie«, sagte Iro. Erforderlich sei eine Kombination aus zwei Antibiotika, eventuell auch ein Antimykotikum. Die Behandlung ist langwierig, laut Iro dauert die Therapie vier bis sechs oder acht Wochen. »In Einzelfällen müssen wir operieren.«

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