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Ozeane: Der Golfstrom schwächelt tatsächlich schon

Der Golfstrom beschert Teilen Europas merklich mildere Bedingungen und hat globale Bedeutung. Doch der Warmwassertransport hat in den letzten Jahrzehnten nachgelassen. Die Rolle des Klimawandels dabei ist aber noch unklar.
Die Grafik zeigt die einzelnen Wirbel des Golfstromes im Atlantik. Je nach Temperatur haben die Wirbel unterschiedliche Farben. Warme Bereiche sind rot und gelb, kühlere dagegen eher grün gefärbt
Der Golfstrom ist kein kontinuierliches Band, sondern besteht aus einer Vielzahl an Wirbeln, die warmes Wasser aus der Karibik und dem Golf von Mexiko nach Nordosten führen und damit Teilen Europas mildes Klima bescheren.

Dank des Golfstroms erfreuen sich Teile der Britischen Inseln, Norwegen oder die russische Kola-Halbinsel milderer Bedingungen, als für diese Breitenlagen üblich wären. Doch der Warmwassertransport aus dem Golf von Mexiko und der Karibik nach Nordosten beginnt zu stocken. In den letzten 40 Jahren hat sich laut einer neuen Studie die Meeresströmung im Bereich der Straße von Florida zwischen der Halbinsel und Kuba um vier Prozent verlangsamt. Das stelle eine signifikante Änderung dar und sei mit 99-prozentiger Sicherheit stärker, als es durch den Zufall zu erwarten wäre, schreiben Christopher Piecuch von der Woods Hole Oceanographic Institution und Lisa Beal von der University of Miami in den »Geophysical Research Letters«. Das Erlahmen oder Ausbleiben des Golfstromsystems gehört zu den befürchteten Folgen des Klimawandels.

Die Studie basiert auf tatsächlichen Messungen des Warmwassertransports in der Region, die dort seit Jahrzehnten durchgeführt werden. Allerdings betonen Piecuch und Beal, dass ihre Studie eine reine Bestandsaufnahme sei und noch keinen Rückschluss darauf erlaube, ob diese Abschwächung auf natürliche Schwankungen oder bereits den Klimawandel zurückzuführen sei.

Für ihre Arbeit wendete das Duo die so genannte Bayes'sche Modellierung an, um Tausende von Datenpunkten aus drei unabhängigen Datensätzen – von Unterseekabeln, Satelliten und direkten Messungen im Meer – zu kombinieren. Damit ermittelten sie den Wassertransport durch die Straße von Florida seit 1982. Bei der Bayes'schen Modellierung wird die Unsicherheit innerhalb eines Modells mit Hilfe von Wahrscheinlichkeiten dargestellt. Die Ergebnisse des Bayes'schen Modells lieferten eindeutige Beweise für signifikante, langfristige Veränderungen. Darüber hinaus stellte das Team fest, dass sogar das Weglassen eines beliebigen Datensatzes aus der Analyse ebenfalls eine Abschwächung anzeigt. Die Abschwächung des Transports sei daher ein allgemeines Signal, das nicht von einem bestimmten Datensatz abhängt, konstatiert der Artikel.

Das Ergebnis bestätigt viele frühere Studien, die ebenfalls auf eine Abschwächung hindeuteten, die aber vor allem Hypothesen dazu aufstellten. Piecuch ist dagegen sicher, dass die aktuelle Studie »wasserdicht« ist und »den ersten eindeutigen Beweis für einen Rückgang« in der Region darstellt.

Erst im Juli 2023 legten der Klimaforscher Peter Ditlevsen und die Mathematikerin Susanne Ditlevsen von der Universität Kopenhagen eine Arbeit vor, die einen Kollaps des Golfstromsystems bereits bis Mitte des Jahrhunderts postulierte: Der Golfstrom könne demnach jederzeit ab dem Jahr 2025 zum Erliegen kommen, bis Ende des 21. Jahrhunderts werde er sogar mit Sicherheit zusammenbrechen. Möglich sei jedoch, dass nur ein Teil des Systems betroffen sei und der Golfstrom nicht komplett aufhöre, Warmwasser gen Europa zu transportieren. Diese Studie wurde allerdings von verschiedenen Klimawissenschaftlern kritisiert oder zurückgewiesen.

Nichtsdestotrotz bleiben Risiken für das Golfstromsystem durch den Klimawandel, der die Atlantische Umwälzzirkulation beeinflusst. Das auch als AMOC (Atlantic Meridional Overturning Circulation) bekannte System schwächelt tatsächlich, was den Golfstrom dauerhaft beeinflussen könnte. Bei der AMOC strömt an der Oberfläche warmes, salzhaltigeres Wasser nach Norden, das in hohen Breiten dann abkühlt. Der erhöhte Salzgehalt und niedrige Temperaturen lassen dieses Wasser dann absinken. In der Tiefsee bewegt sich das abgekühlte Wasser dann wieder südwärts, wo es erneut aufsteigt und den Kreislauf schließt. Wegen der Gletscherschmelze auf Grönland süßt das Wasser im Bereich der Absinkregion jedoch aus: Das Meerwasser wird weniger dicht und sinkt langsamer ab. Im Extremfall unterbleibt dieser Prozess vollständig und die Pumpe bleibt stehen (oder verlagert sich im Zweifel südwärts, was den Wärmetransport nach Nordosten aber ebenfalls stark beeinträchtigt).

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