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News: "Pädophilie entsteht im Kopf"

15 bis 20 Prozent aller Kinder unter 14 Jahren werden Opfer sexueller Gewalt. Um Strafe und Behandlung von Kindesmißhandlern ist nun ein politischer Streit entbrannt. In der Fachwelt wird das Problem bereits seit Jahren diskutiert. "Sexuelle Gewalt an Kindern ist zu ächten. Sie ist ein Verbrechen, kein Kavaliersdelikt. Täter sind zu bestrafen. Sie bedürfen aber um ihres Weiterlebens dringender und vor allem garantierter langzeitlicher Hilfe und Kontrolle", glaubt etwa der Kinder- und Jugendpsychiater Professor Max H. Friedrich.
Bei der Behandlung und Bestrafung müsse man sich "Hoffnungen und Sozialromantizismus abschminken". Kastration nützt nichts, weder die hormonelle noch die operative, denn "Pädophilie entsteht im Kopf". Auch Psychiatrie und Psychotherapie könnten das Problem nicht restlos aus der Welt schaffen. Friedrich plädiert deshalb dafür, daß die Täter zwar nach drei Viertel ihrer Strafe bedingt entlassen werden, sie zugleich aber "unterschreiben müssen, sich über viele, viele Jahre weiterhin streng kontrollieren zu lassen".

Über die "Behandlung" für die Täter gibt es seit langem sowohl in der öffentlichen Meinung als auch in der Fachwelt Streit. Zwei Schulen lassen sich dabei ausmachen: einerseits die Psycho- und Soziotherapeuten, die auf Heilung durch Gespräch und Einsicht setzen; andererseits die medizinisch-pharmakologisch orientierte Schule, die für Psychopharmaka, triebhemmende Arzneien, Kastration und im Extremfall Eingriffe in das Gehirn (Psychochirurgie) eintritt.

Befürworter der Kastration behaupten, dies sei die mit Abstand wirksamste Methode, Sexualdelinquenten vor Rückfällen zu bewahren. Nur drei Prozent der entmannten Täter würden nach ihrer Entlassung wieder gewalttätig. Vordergründig mag dies einleuchten, denn immerhin sind etwa 97 von 100 Sexualverbrechern männlich. Psycho- und Soziotherapien sind hingegen personal- und zeitaufwendig und dauern oft zehn Jahre und länger. Ihre Anhänger mußten inzwischen erkennen, daß sie die erschreckend hohe Quote an Wiederholungstätern nur in bescheidenem Maße senken können. Grob geschätzt wird jeder zweite unbehandelte Sexualtäter wieder rückfällig, mit Psychotherapie sinkt die Quote auf etwa 30 bis 40 Prozent.

Der Österreicher Wolfgang Berner, der die Abteilung für Sexualforschung am Hamburger Universitätskrankenhaus Eppendorf leitet, hält die chirurgische Kastration inzwischen für "überholt". Mit Medikamenten wie Androcur oder mit Wirkstoffen wie den sogenannten LH-Hemmern, die direkt die Bildung des männlichen Sexualhormons Testosteron steuern, lasse sich heute der gleiche Effekt erzielen wie bei einer chirurgischen Kastration, und das ohne irreversiblen Eingriff. Berner hält die Motivation von Sexualtätern für vielschichtig: vermehrte Impulsivität, Antisozialität, also Beziehungsstörungen, und drittens sexuelle Perversion seien ausschlaggebend. Welche dieser drei Grundmotivationen jeweils im Vordergrund stünden, sei individuell verschieden.

Sexualität ist stark durch Phantasien geprägt und erlernt. So zeigte sich in Untersuchungen, daß erwachsene Kastrierte selbst acht bis zehn Jahre nach dem Eingriff noch zu sexueller Erregung und Kohabitation fähig sind. Aus der Literatur sind etliche Fälle bekannt, in denen Kastrierte wieder rückfällig wurden. Perverse Phantasien lassen sich nicht aus dem Kopf herausoperieren, sie müssen in einer langen, mühseligen Therapie verändert werden, soll der Täter jemals die Chance auf Rückkehr in die Freiheit erhalten. Fachleute wie Berner warnen vor einer lebenslänglichen Sicherheitsverwahrung ohne Perspektive auf Entlassung.

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