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Paläontologie: 2-Meter-Arthropode dominierte einst das Meer

Eine Fossilienfundstätte in Marokko offenbart einen reichen Schatz an Tieren. Sie ermöglicht einen faszinierenden Blick in das Meer vor 470 Millionen Jahren.
Versteinerter Arthropode

Wo sich heute eine Wüste aus Fels und Geröll befindet, erstreckte sich vor 470 Millionen Jahren ein Meer. Und das hatte es in sich, wie die zahlreichen gut erhaltenen Fossilien der neu erschlossenen marokkanischen Fundstätte von Taichoute nahelegen: Im ordovizischen Ozean schwammen demnach bis zu zwei Meter lange Arthropoden, die ihr Ökosystem sehr wahrscheinlich dominierten. Das berichten Xiaoya Ma von der University of Exeter und ihr Team in den »Scientific Reports«.

Überhaupt unterscheide sich diese Lagerstätte sehr deutlich von einer weiteren, die nur 80 Kilometer entfernt im so genannten Fezouata-Schiefer liegt. »Alles ist neu an diesem Fundort – die Sedimentologie, die Paläontologie und sogar der Zustand der Fossilien –, was die Bedeutung der Fezouata-Biota für unser vollständiges Verständnis des vergangenen Lebens auf der Erde noch unterstreicht«, sagt Farid Saleh von der Université de Lausanne.

Die in diesen Gesteinen entdeckten Fossilien enthalten viele mineralisierte Elemente, etwa von Muscheln, aber auch einige außergewöhnlich gut erhaltene Weichteile wie innere Organe der verstorbenen Tiere. Dadurch können Wissenschaftler untersuchen, wie sich die Anatomie des frühen tierischen Lebens auf der Erde entwickelt hat. Wegen der herausragenden Güte seiner Fossilien gilt der Fezouata-Schiefer als eine der 100 besten Lagerstätten weltweit.

In Taichoute kommt noch eine Besonderheit hinzu: Andere Fundstätten in der Region werden von Fossilien dominiert, die in Flachwasserregionen abgelagert wurden und versteinerten. In Taichoute hingegen finden sich die Überreste von toten Tieren, die von Erdrutschen unter Wasser in einen relativ tiefen Graben gerissen wurden. »An einigen Fragmenten wurden Tiere wie Brachiopoden gefunden, was darauf hindeutet, dass die großen Körper der Wirbellosen als Nährstoffspeicher für die bodenlebende Gemeinschaft dienten, sobald die Arthropoden tot hinabgesunken waren«, sagt die ebenfalls an der Studie beteiligte Allison Daley aus Lausanne. Sie könnten damit eine ähnliche Rolle wie heutige Wale gespielt haben: Ihre Kadaver bilden ebenfalls ein Festmahl für Bewohner des Ozeangrunds.

Noch sind nicht alle gefundenen Art bestimmt. Doch die Arbeitsgruppe geht davon aus, dass sie zahlreiche neue Spezies gefunden haben könnte: Die Lagerstätte von Taichoute entstand ein paar Millionen Jahre später als benachbarte Standorte. Unklar ist deshalb, wann die Zwei-Meter-Giganten genau entstanden sind. Ma ist sich aber mit einem sicher: »Ihre Größe und ihre frei schwimmende Lebensweise lassen vermuten, dass sie in diesen Ökosystemen eine einzigartige Rolle spielten.«

Fast die Hälfte der in Taichoute gefundenen Exemplare sind »echte« Gliederfüßer mit gelenkigen Gliedmaßen und gehärtetem, aber flexiblem Exoskelett. Dies ist ein wesentlich höherer Anteil als an den drei vorherigen Fundorten in Fezouata. Am zweithäufigsten tauchten Graptolithen auf, eine Gruppe ausgestorbener Planktonfiltrierer. Zudem entdeckten die Forscher einige bislang unbekannte Trilobitenarten. Diese Tiere begeisterten 2019 bereits Paläontologen, weil Versteinerungen aus der Fezouata-Formation zeigten, dass sie sich bereits vor 480 Millionen Jahren zu Gruppen zusammenfanden und Schwarmverhalten zeigten.

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