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Paläontologie: Europäischer Ur-Delfin hatte Supergehör

Der Fund schlummerte über Jahrzehnte im Museumsarchiv. Eine Studie des Fossils zeigt, dass es sich um eine neue Art handelt, die erstaunliche Fähigkeiten besaß.
Graue, fossile Knochen eines Delfins liegen auf einem weißen Untergrund. Der Schädel ist etwas flachgedrückt, nach links weist die lange Schnauze, in der einzelne Zähne erkennbar sind.
Der Schädel des Ur-Delfins Romaleodelphis pollerspoecki ist etwas flachgedrückt, dennoch lieferte er wichtige Erkenntnisse.

Der Privatsammler Jürgen Pollerspöck fand bereits 1980 einen gut erhaltenen, fossilen Schädel, den er zur besseren Präparation und Aufbewahrung an die Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München übergab. Dort schlummerte die Versteinerung anschließend jahrzehntelang, bevor sich ein Team um Gertrud Rößner von der Staatssammlung endlich ihrer annahm – und Erstaunliches entdeckte, wie die Arbeitsgruppe im »Journal of Vertebrate Paleontology« berichtet: Bei dem Fossil handelt es sich um eine bislang unbekannte Art eines Delfins, die vor 22 Millionen Jahren in einem flachen Meer wohnte, das damals die heutige Region Oberösterreich bedeckte.

Die zu Ehren des ursprünglichen Finders Romaleodelphis pollerspoecki benannte Spezies besaß demnach bereits ein ausgezeichnetes Hörvermögen im Hochfrequenzbereich, wie computertomografsche Aufnahmen des Schädels belegen. Dieser wurde zwar während des Fossilisierungsprozesses stark gequetscht, dennoch blieben viele Merkmale erhalten, etwa ein knöchernes Labyrinth in seinem Inneren, das zum Hörsinn gerechnet wird. Bemerkenswert ist zudem die lange Schnauze mit über 102 gleichförmigen Zähnen. Dies sei einer der ältesten bekannten Zahnwale, die über einen Gehörsinn verfügten, wie er heute beispielsweise bei den Schweinswalen zu finden ist, schreiben Rößner und Co. Damit konnten die Meeressäuger in Frequenzbereichen kommunizieren, die außerhalb des bislang bekannten Hörvermögens ihrer Fressfeinde lagen. Eventuell bestehe auch ein Zusammenhang in der Entwicklung mit der delfintypischen Fähigkeit zur Echolokalisation.

Die nächsten Verwandten von Romaleodelphis pollerspoecki lebten im nordöstlichen Pazifik sowie von den Küsten Südamerikas. Der »österreichische« Delfin ist demnach der erste Vertreter dieser urtümlichen Meeressäuger, der in Europa gefunden wurde: Bislang existiert auch nur dieses eine Exemplar in den Händen der Wissenschaft. Der flache Meeresarm, in dem sich Romaleodelphis pollerspoecki während des Miozäns bewegte, erstreckte sich nördlich der heutigen Alpen, die sich damals aufzufalten begannen. Fossilien aus dieser Zeit zeigen reichhaltiges Leben aus verschiedenen Einzellern, Algen, Muscheln, Schnecken, Tintenfischverwandten und Fischen, nach denen der Delfin sehr wahrscheinlich jagte.

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