Paläontologie: Friedhof der prähistorischen Säugetiere

Lange waren die beiden Hobbytaucher und Fossiliensammler Robert Sinibaldi und Joseph Branin aus Florida bereits ergebnislos im Steinhatchee River unterwegs und wollten schon aufgeben, als Branin doch noch zufällig einen alten Pferdezahn entdeckte. Sie setzten ihre Suche fort – und stießen im Jahr 2022 tatsächlich auf eine der wichtigsten Fossilienlagerstätten, die in diesem US-Bundesstaat in den letzten Jahren gefunden worden war: ein Flussbett voller Knochen, Zähne und Hufe von Säugetieren aus dem Irvingtonian, einem wenig erforschten Zeitalter während des Pleistozäns vor 1,6 Millionen bis 250 000 Jahren vor heute. Zusammen mit dem Florida Museum of Natural History legten die beiden Entdecker mehrere hundert Fossilien frei, die das Team in »Fossil Studies« beschreibt.
Das Irvingtonian gilt als evolutionäre Übergangsphase, die bis zum Fund in Florida nur spärlich in Fossiliensammlungen abgebildet war. Zu den wichtigsten Funden im Steinhatchee zählen unter anderem Überreste eines ausgestorbenen, gürteltierähnlichen Lebewesens aus der Gattung Holmesina, das eine Zwischenform zwischen einer stammesgeschichtlich älteren und jüngeren Art sein könnte: So existierte vor zwei Millionen Jahren die 80 Kilogramm schwere Art Holmesina floridanus, während später H. septentrionalis in Florida lebte, die 180 Kilogramm wog. Die noch nicht benannte neue Art weist Merkmale beider Größenordnungen auf.
Ein weiterer spannender Fund ist der Schädel eines urtümlichen Tapirs, einer tropischen Säugetierfamilie, die aktuell nicht mehr auf dem Gebiet der Vereinigten Staaten lebt. Der Knochen weist einige Unterschiede zu heutigen wie auch prähistorischen Tapirarten auf, so dass es sich um eine neue Art handeln könnte. Allerdings wollen die Wissenschaftler weitere Funde abwarten, bevor sie sich auf eine eigene Spezies festlegen.
Zahlenmäßig dominierten unter den Fossilien die Überreste einer frühen Pferdeart: Etwa 75 Prozent der Knochen lassen sich ihr zuordnen. Damit können die Forscher Rückschlüsse auf das damalige Ökosystem ziehen. Pferde leben im Offenland, weshalb die Arbeitsgruppe davon ausgeht, dass in der Region damals Grasland dominierte. Heute hingegen ist das Gebiet dicht mit Wald bewachsen. Genauere Untersuchungen der zahlreichen Zähne sollen nähere Erkenntnisse zu den Nahrungspflanzen und damit zum Lebensraum bringen.
Relativ gesichert ist bereits, warum die Fossilienfundstätte so ergiebig ist: Vor einer halben Million Jahre brach in diesem Teil Floridas die Decke eines unterirdischen Hohlraums ein, und das entstandene Loch wurde zu einer Todesfalle für Säugetiere. Ihre Überreste wurden von Sedimenten verschüttet und blieben so erhalten. Der Steinhatchee River mäandrierte im Lauf der Zeit immer dichter an diese Grube heran, bis er sie vor geologisch sehr kurzer Zeit anschnitt und die Fossilien auswusch – und die Taucher sie im trüben Wasser fanden: Gelöste Pflanzenstoffe färben den Fluss hier so intensiv, dass Sinibaldi es mit Tauchen in Kaffee vergleicht.
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