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Marine Zoologie: Papa findet Nemo nebenan

Im Film ist alles recht einfach: Fischvater verliert Fischsohn, beide suchen sich und mit Hilfe guter Freunde finden sie in den Weiten des Ozeans wieder zueinander. Reale Verwandtschaftsbesuche im Riff sind da ungleich schwieriger - oder doch nicht?
Panda-Clownfische in Seeanemone
Als wenn die Sache nicht schon ohnehin kompliziert genug wäre für den allein erziehenden Anemonenfischvater Marlin in einer beliebten Kino-Zeichentrickkomödie, der seine Frau an das Meer verloren hat, wird ihm auch noch sein einziger verbliebener Sprössling Nemo entführt und in ein Aquarium gesperrt. In der Folge entspannt sich eine langwierige Suche nach dem verlorenen Sohn, schließlich ist das Große Barriereriff vor Australien als Ort der Handlung ein riesiges Gebiet, in dem ein kleiner Fisch ähnlich erfolgreich aufzuspüren ist wie die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen.

Ähnlich ergeht es auch den Wissenschaftlern in der realen Umwelt eines Korallenriffs, wenn sie herausfinden möchten, wo und wie sich der Nachwuchs der bunten Korallenfische in diesem Ökosystem niederlässt. Das Problem ist die tatsächliche Größe der Jungtiere, denn viele Arten produzieren nur winzig kleine Larven in Millimeterdimensionen, die meist mit der Strömung verdriftet werden. Häufig verschlägt es die Brut hinaus ins offene Meer, wo sie dann über mehrere Wochen oder Monate heranwachsen. Den Weg zurück finden sie schließlich durch chemische Duftspuren im Wasser oder – wie jüngst entdeckt – anhand des Lärms von Scherenklappern, mahlenden Papageifischzähnen oder über Korallen kratzenden Garnelenfüßen.

Junge und alte Panda-Clownfische in Seeanemone | Im Gegensatz zu anderen Korallenfischen verschlägt es die Larven von Panda-Clownfischen oft nicht zu weit weg von ihrer Elternanemone. Mehr als ein Drittel lässt sich in einem nur zwei Hektar großen Gebiet im Umkreis ihres Schlupfortes nieder – das ist die kürzeste bislang gemessene Distanz bei Rifffischen.
Doch sind deswegen alle Fischlarven erst einmal Fernreisende? Oder liegt auch für manche das Gute so nahe? Diese Fragen sind nicht nur von akademischem Interesse, sondern ebenso von kommerziellem und ökologischem. Denn gerade die bunten Korallenbewohner sind begehrte Handelsobjekte, deretwegen ganze Populationen und sogar Riffe als solche zerstört werden, da sie mit Sprengstoff oder giftigen Zyanid-Verbindungen gefangen werden: Leicht kann es dadurch zu lokalem Aussterben bestimmter Spezies kommen, wenn sie nicht durch unbeeinflusste Bestände immer wieder aufgefüllt werden.

Eines dieser gesuchten Opfer ist wie im Film der Clown- oder Anemonenfisch, ein von vielen Aquarianern nachgefragtes Handelsgut, denn er hat eine lebhafte orange-weiße, manchmal auch orange-schwarz-weiße Färbung, eine interessanten Biologie – er lebt in Symbiose mit ansonsten giftigen Seeanemonen – und ein außergewöhnliches Sexualverhalten: Die Tiere schlüpfen als geschlechtlich unfertige Hermaphroditen und werden erst im Erwachsenenalter zu Männchen oder Weibchen, wobei letzteren Part immer das dominante Tier in der Anemone übernimmt. Die frisch entstandene Sie legt ihre Eier knapp außerhalb der heimischen Seeanemone ab, aus denen innerhalb von sechs bis sieben Tagen die Larven schlüpfen.

Dieses Zeitfenster nutzten nun Geoffrey Jones von der australischen James-Cook-Universität und seine Kollegen, um über mehrere Jahre die Eier aller in den Seeanemonen vor der Schumann-Insel in den Gewässern Papua-Neuguineas aufgefundener Panda-Clownfische (Amphiprion polymnus) mit Tetrazyklin zu markieren. Die heranwachsenden Embryonen lagern dieses Antibiotikum in ihren Gehörsteinchen, den Otolithen, ein, sodass sie bei einer eventuellen späteren Wiederentdeckung zweifelsfrei der Quellpopulation der Insel zugeordnet werden können.

Nach ihrer Geburt treiben die Larven 9 bis 12 Tage durch das Meer, bis sie sich einer Anemonengemeinschaft aus einem dominanten Weibchen, einem subdominanten Männchen und weiteren, sexuell nicht ausgereiften Clownfischen anschließen. Diese zwanghafte Liaison der Riffbarschverwandten mit den wehrhaft nesselnden Blumentieren ermöglichte es wiederum den Forschern, aller neu auftauchender Babyfische habhaft zu werden und sie auf das Tetrazyklin zu testen – das Ergebnis: Bis zu einem Drittel aller Neulinge pro Jahr stammte aus der unmittelbaren Umgebung und hat sich nicht weit von seinem Geburtsort entfernt.

Bestätigt wurde diese Zahl zudem durch DNA-Tests aller Alteingesessenen sowie der Neuankömmlinge: Damit konnten die Wissenschaftler ebenfalls nachweisen, dass mehr als dreißig Prozent der im Jahr 2003 insgesamt 73 neu angesiedelten Panda-Clownfische von den Lokalmatadoren abstammten. Dieses Drittel ließ sich überwiegend in einem nur zwei Hektar großen Umkreis um die Ausgangspopulation nieder – fünf Individuen sogar weniger als fünfzig Meter von ihrer Elternanemone. Allerdings rückte keiner seinen Erzeugern unmittelbar auf die Schuppen, denn direkte Kontakte zwischen den Generationen konnten Jones und sein Team nicht belegen.

Mit der Entschlüsselung dieser Ansiedelungsstrategie vollzogen die Wissenschaftler nicht nur erstmals die Wanderwege junger Fische direkt nach, sondern sie belegen zudem den kürzesten bislang bekannten Ausbreitungsradius von Meeresfischen. Die Clownfische haben dies wahrscheinlich als Anpassung an ihre enge Bindung mit den Seeanemonen entwickelt, deren Nähe sie aus Schutzgründen stets suchen, die aber nicht überall wachsen.

Die von den Forschern ermittelten Zahlen sind zudem vielleicht sogar zu niedrig gegriffen, denn die natürliche Fluktuation im Bestand darf nicht unterschätzt werden: Immer wieder sterben Tiere durch Jäger oder Krankheiten, sodass ihre ursprüngliche Einflussnahme nicht festgestellt werden konnte. Woher die restlichen Neuankömmlinge stammen, ist jedoch noch nicht bekannt. Da aber in einem Umkreis von mehr als zehn Kilometern um die Schumann-Insel keine weiteren Seeanemonen vorkommen, müssen sie eine längere Reise hinter sich haben – Panda-Clownfische leben schließlich im gesamten westlichen Pazifik.

Reservate für Korallenfische können also sowohl die lokalen als auch weiter entfernte Riffe mit frischem Nachwuchs auffüllen und somit geplünderte Bestände bei ausreichendem Schutz wieder regenerieren lassen. Denn eines ist sicher: Durch in der Toilette hinunter gespülte Exemplare wie im Film werden die Korallenriffe sicher nicht neu besiedelt.

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