Evolution: Paradise Lost - und Regained
Erfolg kann tödlich sein - etwa für das bedauernswerte Opfer eines hervorragenden Parasiten. Ist der aber zu erfolgreich, so schadet er sich am Ende durch Entzug aller möglicher Wirte auch selbst. Besser ist es für Wirt und Parasit, gemeinsam zu koexistieren.
Das Ende vieler Vögel auf den paradisischen Eilanden Hawaiis begann mit dem Fortschritt. Zuerst kamen Menschen und allerlei zivilisatorisches Gut, was zuvor in großen Mengen nicht über die Weiten des Stillen Ozeans zu transportieren war. Und mit dem Komfort kamen die blinden Passagiere – etwa jene Mückenspezies, die Hawaii noch nie zuvor gesehen hatte: Culex quinquefasciatus. Auch sie trugen ein Mitbringsel in sich – einen üblereren Quälgeist namens Plasmodium relictum, seines Zeichens Erreger der Vogelmalaria.
Er war dem Immunsystem der hawaiischen Vogelwelt völlig unbekannt. Mit fatalen Folgen: Nach der Ankunft von Culex und Plasmodium vor gut hundert Jahren begannen die Vögel wie Fliegen an der zuvor im Archipel unbekannten Vogelkrankheit zu sterben. Zwischen 65 und 90 Prozent aller von nur einer einzelnen infizierten Mücke gestochenen Tiere sollen Schätzungen zufolge tödlich erkranken. In flacheren Landstrichen unterhalb von 900 Metern überlebten das Malaria-Massaker zunehmend weniger Vertreter jener einst im Wald häufigen, auf den Inseln endemischen Vogelarten, ergaben Studien aus den 1980er Jahren – nur höher gelegene, kühlere und somit mückenfeindlichere Regionen galten damals noch als parasitenfreie Rückzugsräume.
Das endgültige Aus vieler der hawaiischen, auf dem Archipel exklusiven Amakihi-Spezies aus der Kleidervögel-Familie schien jedenfalls nur eine Frage der Zeit. Nicht ganz unschuldig daran war – wie andernorts – wohl auch die menschengemachte globale Erwärmung, die Mücken auch an Orten gedeihen lässt, die ihnen klimatisch zuvor wenig behagt hatten. Immerhin: Für Evolutionsbiologen bot die isolierte Fauna und Flora mitsamt der eingeschleppten Gefahr ein ideales Labor, in dem die Auswirkungen und Evolution von Fremdarten gut zu studieren sind.
Hier untersuchten auch Bethany Woodworth und ihre Kollegen vom U.S. Geological Survey die Entwicklung des evolutiven Kreislaufs, der durch die Ankunft der tödlichen Malaria-Überträger in Gang gesetzt worden war. Sie nahmen nun neun verschieden hoch gelegene Gebiete des insularen Ökosystems unter die Lupe, und bestimmten dort über neun Monate hinweg die ansässige Vogel-, Mücken- und Parasitenpopulation.
Wenig überraschend, dass über das ganze Jahr hinweg Malariaparasiten im großen Stil im örtlichen Vogelwirt-Angebot zirkulierten. Überraschend allerdings, wo, worin und mit welchen Folgen der Parasit seine Opfer findet. Tatsächlich entdeckten die Forscher viele Vertreter der Kleidervogelart Hemignathus vires – und dies erstaunlicherweise auch in niedrigen, malariaverseuchten Lebensräumen des Flachlands, anstatt den höher gelegenen, mückenfreien Regionen. Dabei waren offenbar bis zu achtzig Prozent der Tiere auch tatsächlich mit Plasmodium relictum infiziert. Trotzdem aber wich die Population deswegen nicht in die mückenfreie Hochzone aus, sondern scheint vielmehr gerade im Tiefland unterhalb von 300 Metern im Laufe der vergangenen Jahrzehnten sogar gewachsen zu sein.
Wie war dies möglich, bei dem herrschenden Parasitenansturm? Offenbar, so schlussfolgern Woodworth und ihre Kollegen, hat zwischen Wirt und Parasit eine beiderseits nutzbringende Koevolution in jüngster Zeit stattgefunden: Die Vögel sind infiziert und gestatten so den Parasiten, sich zu verbreiten – überleben die Parasitenlast als Population aber offenbar besser als noch vor wenigen Jahrzehnten.
Welche Mechanismen hier genau am Werk sind, können auch die Wissenschaftler derzeit nur raten. Vielleicht ist die örtliche Amakihi-Spezies der Kleidervögel tatsächlich in den sehr kleinen, exklusiven Kreis jener Wirbeltierarten aufzunehmen, die im Laufe von nur wenigen Generationen mit einem Erreger koevolvierten – und dabei eine genetische Resistenz gegen tödliche Infektionsfolgen ausbildeten. Vielleicht ist es auch profaner, und ein möglicherweise konkurrenzloses Nahrungsangebot und hervorragende Lebensbedingungen im Tiefland kompensieren die allfälligen Verluste der Vögel durch Parasiten mehr als ausreichend? Die Forscher glauben am ehesten an eine Kombination verschiedener solcher Ursachen.
Jedenfalls werfen die Daten der Wissenschaftler ein neues Licht auf die Zukunft der einheimischen Vögel Hawaiis und die anzustrebenden Schutzprogramme. Vielleicht sollte die Tendenz überdacht werden, die tiefer liegenden Gebiete der Inseln als nicht mehr zu rettende Vogelhabitate zu betrachten – bisherige Bemühungen hatten sich tatsächlich auf die viel versprechenden mückenfreien Höhenzonen konzentriert. Das nun gerade die von Menschen im lobenswert bemühten Vogel-Artenschutzkampf längst verloren gegebenen Gebiete wieder mehr Tiere beheimaten, könnte wirklich ein Grund sein, einmal kurz innezuhalten und die Strategie zu überdenken.
Er war dem Immunsystem der hawaiischen Vogelwelt völlig unbekannt. Mit fatalen Folgen: Nach der Ankunft von Culex und Plasmodium vor gut hundert Jahren begannen die Vögel wie Fliegen an der zuvor im Archipel unbekannten Vogelkrankheit zu sterben. Zwischen 65 und 90 Prozent aller von nur einer einzelnen infizierten Mücke gestochenen Tiere sollen Schätzungen zufolge tödlich erkranken. In flacheren Landstrichen unterhalb von 900 Metern überlebten das Malaria-Massaker zunehmend weniger Vertreter jener einst im Wald häufigen, auf den Inseln endemischen Vogelarten, ergaben Studien aus den 1980er Jahren – nur höher gelegene, kühlere und somit mückenfeindlichere Regionen galten damals noch als parasitenfreie Rückzugsräume.
Das endgültige Aus vieler der hawaiischen, auf dem Archipel exklusiven Amakihi-Spezies aus der Kleidervögel-Familie schien jedenfalls nur eine Frage der Zeit. Nicht ganz unschuldig daran war – wie andernorts – wohl auch die menschengemachte globale Erwärmung, die Mücken auch an Orten gedeihen lässt, die ihnen klimatisch zuvor wenig behagt hatten. Immerhin: Für Evolutionsbiologen bot die isolierte Fauna und Flora mitsamt der eingeschleppten Gefahr ein ideales Labor, in dem die Auswirkungen und Evolution von Fremdarten gut zu studieren sind.
Hier untersuchten auch Bethany Woodworth und ihre Kollegen vom U.S. Geological Survey die Entwicklung des evolutiven Kreislaufs, der durch die Ankunft der tödlichen Malaria-Überträger in Gang gesetzt worden war. Sie nahmen nun neun verschieden hoch gelegene Gebiete des insularen Ökosystems unter die Lupe, und bestimmten dort über neun Monate hinweg die ansässige Vogel-, Mücken- und Parasitenpopulation.
Wenig überraschend, dass über das ganze Jahr hinweg Malariaparasiten im großen Stil im örtlichen Vogelwirt-Angebot zirkulierten. Überraschend allerdings, wo, worin und mit welchen Folgen der Parasit seine Opfer findet. Tatsächlich entdeckten die Forscher viele Vertreter der Kleidervogelart Hemignathus vires – und dies erstaunlicherweise auch in niedrigen, malariaverseuchten Lebensräumen des Flachlands, anstatt den höher gelegenen, mückenfreien Regionen. Dabei waren offenbar bis zu achtzig Prozent der Tiere auch tatsächlich mit Plasmodium relictum infiziert. Trotzdem aber wich die Population deswegen nicht in die mückenfreie Hochzone aus, sondern scheint vielmehr gerade im Tiefland unterhalb von 300 Metern im Laufe der vergangenen Jahrzehnten sogar gewachsen zu sein.
Wie war dies möglich, bei dem herrschenden Parasitenansturm? Offenbar, so schlussfolgern Woodworth und ihre Kollegen, hat zwischen Wirt und Parasit eine beiderseits nutzbringende Koevolution in jüngster Zeit stattgefunden: Die Vögel sind infiziert und gestatten so den Parasiten, sich zu verbreiten – überleben die Parasitenlast als Population aber offenbar besser als noch vor wenigen Jahrzehnten.
Welche Mechanismen hier genau am Werk sind, können auch die Wissenschaftler derzeit nur raten. Vielleicht ist die örtliche Amakihi-Spezies der Kleidervögel tatsächlich in den sehr kleinen, exklusiven Kreis jener Wirbeltierarten aufzunehmen, die im Laufe von nur wenigen Generationen mit einem Erreger koevolvierten – und dabei eine genetische Resistenz gegen tödliche Infektionsfolgen ausbildeten. Vielleicht ist es auch profaner, und ein möglicherweise konkurrenzloses Nahrungsangebot und hervorragende Lebensbedingungen im Tiefland kompensieren die allfälligen Verluste der Vögel durch Parasiten mehr als ausreichend? Die Forscher glauben am ehesten an eine Kombination verschiedener solcher Ursachen.
Jedenfalls werfen die Daten der Wissenschaftler ein neues Licht auf die Zukunft der einheimischen Vögel Hawaiis und die anzustrebenden Schutzprogramme. Vielleicht sollte die Tendenz überdacht werden, die tiefer liegenden Gebiete der Inseln als nicht mehr zu rettende Vogelhabitate zu betrachten – bisherige Bemühungen hatten sich tatsächlich auf die viel versprechenden mückenfreien Höhenzonen konzentriert. Das nun gerade die von Menschen im lobenswert bemühten Vogel-Artenschutzkampf längst verloren gegebenen Gebiete wieder mehr Tiere beheimaten, könnte wirklich ein Grund sein, einmal kurz innezuhalten und die Strategie zu überdenken.
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