News: Parasitärer Gen-Handel
Die genetische Grundausstattung gelegentlich durchzumischen, ist ein alter Trick fast aller Spezies - besonders solcher, die sich stets auf extrem wandelbare Umweltbedingungen einzurichten haben. Wie eigenartig ein eigensinniger Parasit dabei vorgeht, überrascht allerdings.
Einfallsreichtum ist gefragt im ständigen Kampf zwischen Parasiten und Wirten um jeden noch so winzigen Vorteil. Genau daher lohnt sich für Wissenschaftler auch stets ein genauer Blick auf das Innenleben eines Schmarotzers – immer wieder finden sich hier originelle Wege der Natur, die nirgends sonst eingeschlagen werden. Und so stieß nun ein Forscherteam um Michael Miles von der London School of Hygiene and Tropical Diseases auf eine besonders bizarre Eigenheit des einzelligen Parasiten Trypanosoma cruzi.
T. cruzi ist der Erreger der Chagas-Krankheit – typischerweise einer Arme-Leute-Krankheit mit etwa 18 Millionen Betroffenen, die in Slum-Gebieten Süd- und Mittelamerikas um sich greift. Hier machen sich blutsaugende Raubwanzen, die infektiöse T.-cruzi-Erreger in ihrem Darmtrakt transportieren, regelmäßig an kleinere Wirbeltiere wie Ratten oder Hunde heran – und auch an Menschen. Wenn die Wanzen stechen und zugleich Kot abgeben, so wird dieser mitsamt der darin enthaltenen Parasiten nicht selten in die juckende Wunde gerieben. Einmal im Blutgefäßsystem des Menschen angekommen, begibt sich der wandelbare Erreger in die Gewebezellen verschiedener Organe und vermehrt sich dort. Zu den Folgen der neuen Untermieter gehört eine Reihe chronischer Leiden von Herzinsuffizienzen bis zu neurologischen Ausfällen.
Es ist nicht ungewöhnlich für Parasiten, blutsaugende Insekten als Transportvehikel auf dem Weg zum lohnenderen Wirbeltierwirt zu nutzen. Wahrscheinlich begann das Schmarotzertum sogar in Insekten – denn nur dort pflanzen sich die ungebetenen Gäste sexuell fort, können also ihr Erbgut neu durchmischen: Ein absolut notwendiger Prozess, um die genetische Flexibilität und damit Wandlungsfähigkeit der Parasiten im Laufe der Evolution zu garantieren. In Wirbeltieren hingegen vermehren sich die Schmarotzer nur durch Teilung oder Klonierungsvorgänge, ohne also ihr Erbgut auffrischen zu können. Eine solche Einschränkung hätten sie unter den harten Bandagen der Evolution allerdings nicht lange überstanden, bei den Wirbeltierwirten muss sich also um eine jüngere Errungenschaft handeln.
T. cruzi jedoch hält sich nicht an dieses Schema, wie die Forscher um Miles herausfanden. Die Wissenschaftler schleusten in zwei charakteristische Parasiten-Stämme unterschiedliche genetische Marker ein und regten sie – nun vereint – in einer Affenzellkultur zu dem typischen Vermehrungszyklus an, wie er im Wirbeltierwirt unter natürlichen Bedingungen stattfindet. Die Nachkommen dieser Vermehrung sollten nichts als identische Klone der Ausgangsstämme sein – eigentlich.
Stattdessen aber beobachteten die Forscher eine große Bandbreite genetisch sehr unterschiedlicher Parasitensprösslinge: Einige zeigten Aneuploidie – besaßen mithin eindeutig von ihren Eltern abweichende Mengen genetischen Materials –, in manchen hatten zudem homologe Rekombinationsmechanismen dazu geführt, dass sich Gene des einen Stammes nun im Erbgut von neugebildeten Exemplaren des anderen fanden; einzelne überzählige Kopien von Genvarianten wurden dagegen teils entfernt. Offenbar hatten die verschiedenen Parasitenstämme in ihrer gemeinsamen Zellkultur ihr genetisches Potenzial kräftig durchmischt: Vielleicht, indem einzelne Parasiten miteinander verschmolzen, Hybridgenome schufen und diese dann abschließend unterschiedlich effizient sortierten und entschlackten.
Sie zeigen damit eine bislang einzigartige Strategie genetischer Rekombination ohne sexuelle Vorgänge – denn offenbar lassen sie die sonst üblichen Schritte aus, wie beispielsweise das genau geregelte Halbieren des Genoms vor der Verschmelzung von zwei Zellen. Und noch dazu läuft die leicht chaotische genetische Mischmethode von T. cruzi in Säugetierzellen ab und nicht in Insektenwirten, wie bei ihren Verwandten und Sinnesgenossen – wenn schon ungewöhnlich, dann richtig.
Da sich die T.-cruzi-Vertreter damit auch nicht an klassische Mendel'sche Gesetzmäßigkeiten halten, können vielleicht in viel kürzerer Zeit deutlich grundlegendere Änderungen des Parasitendesigns entstehen. Vielleicht birgt dieser noch schlecht verstandene Mechanismus also den Schlüssel für die bislang nicht so recht einleuchtende Vielzahl von variablen T.-cruzi-Stämmen in freier Wildbahn. Und womöglich stammen aus dem bunten genetischen Durcheinander und den Aneuploidien – den abweichenden Mengen des Erbguts – sogar ganz neue Parasitenspezies.
T. cruzi ist der Erreger der Chagas-Krankheit – typischerweise einer Arme-Leute-Krankheit mit etwa 18 Millionen Betroffenen, die in Slum-Gebieten Süd- und Mittelamerikas um sich greift. Hier machen sich blutsaugende Raubwanzen, die infektiöse T.-cruzi-Erreger in ihrem Darmtrakt transportieren, regelmäßig an kleinere Wirbeltiere wie Ratten oder Hunde heran – und auch an Menschen. Wenn die Wanzen stechen und zugleich Kot abgeben, so wird dieser mitsamt der darin enthaltenen Parasiten nicht selten in die juckende Wunde gerieben. Einmal im Blutgefäßsystem des Menschen angekommen, begibt sich der wandelbare Erreger in die Gewebezellen verschiedener Organe und vermehrt sich dort. Zu den Folgen der neuen Untermieter gehört eine Reihe chronischer Leiden von Herzinsuffizienzen bis zu neurologischen Ausfällen.
Es ist nicht ungewöhnlich für Parasiten, blutsaugende Insekten als Transportvehikel auf dem Weg zum lohnenderen Wirbeltierwirt zu nutzen. Wahrscheinlich begann das Schmarotzertum sogar in Insekten – denn nur dort pflanzen sich die ungebetenen Gäste sexuell fort, können also ihr Erbgut neu durchmischen: Ein absolut notwendiger Prozess, um die genetische Flexibilität und damit Wandlungsfähigkeit der Parasiten im Laufe der Evolution zu garantieren. In Wirbeltieren hingegen vermehren sich die Schmarotzer nur durch Teilung oder Klonierungsvorgänge, ohne also ihr Erbgut auffrischen zu können. Eine solche Einschränkung hätten sie unter den harten Bandagen der Evolution allerdings nicht lange überstanden, bei den Wirbeltierwirten muss sich also um eine jüngere Errungenschaft handeln.
T. cruzi jedoch hält sich nicht an dieses Schema, wie die Forscher um Miles herausfanden. Die Wissenschaftler schleusten in zwei charakteristische Parasiten-Stämme unterschiedliche genetische Marker ein und regten sie – nun vereint – in einer Affenzellkultur zu dem typischen Vermehrungszyklus an, wie er im Wirbeltierwirt unter natürlichen Bedingungen stattfindet. Die Nachkommen dieser Vermehrung sollten nichts als identische Klone der Ausgangsstämme sein – eigentlich.
Stattdessen aber beobachteten die Forscher eine große Bandbreite genetisch sehr unterschiedlicher Parasitensprösslinge: Einige zeigten Aneuploidie – besaßen mithin eindeutig von ihren Eltern abweichende Mengen genetischen Materials –, in manchen hatten zudem homologe Rekombinationsmechanismen dazu geführt, dass sich Gene des einen Stammes nun im Erbgut von neugebildeten Exemplaren des anderen fanden; einzelne überzählige Kopien von Genvarianten wurden dagegen teils entfernt. Offenbar hatten die verschiedenen Parasitenstämme in ihrer gemeinsamen Zellkultur ihr genetisches Potenzial kräftig durchmischt: Vielleicht, indem einzelne Parasiten miteinander verschmolzen, Hybridgenome schufen und diese dann abschließend unterschiedlich effizient sortierten und entschlackten.
Sie zeigen damit eine bislang einzigartige Strategie genetischer Rekombination ohne sexuelle Vorgänge – denn offenbar lassen sie die sonst üblichen Schritte aus, wie beispielsweise das genau geregelte Halbieren des Genoms vor der Verschmelzung von zwei Zellen. Und noch dazu läuft die leicht chaotische genetische Mischmethode von T. cruzi in Säugetierzellen ab und nicht in Insektenwirten, wie bei ihren Verwandten und Sinnesgenossen – wenn schon ungewöhnlich, dann richtig.
Da sich die T.-cruzi-Vertreter damit auch nicht an klassische Mendel'sche Gesetzmäßigkeiten halten, können vielleicht in viel kürzerer Zeit deutlich grundlegendere Änderungen des Parasitendesigns entstehen. Vielleicht birgt dieser noch schlecht verstandene Mechanismus also den Schlüssel für die bislang nicht so recht einleuchtende Vielzahl von variablen T.-cruzi-Stämmen in freier Wildbahn. Und womöglich stammen aus dem bunten genetischen Durcheinander und den Aneuploidien – den abweichenden Mengen des Erbguts – sogar ganz neue Parasitenspezies.
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