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Schmarotzer und Immunsystem: Parasiten senken oder erhöhen weibliche Fruchtbarkeit

Wurmparasiten begleiten Menschen seit Jahrhundertausenden. Offenbar haben wir uns so gut aneinander gewöhnt, dass einige Schmarotzer uns sogar beim Kinderkriegen halfen.
Hakenwurm

Parasiten sind bekannt dafür, im Körper ihrer Wirte verschiedene Funktionen aus- und anzuschalten oder zu manipulieren. Das betrifft meist natürlich das Immunsystem, vor dem sich die eingedrungenen Erreger tarnen oder mit Antiabwehrmaßnahmen schützen möchten. Nicht selten manipulieren Parasiten von niederen Tieren wie etwa Schnecken aber auch das Fortpflanzungssystem: Statt dem Wirt zu schaden, erhöhen sie dabei manchmal seine Fruchtbarkeit und sorgen so für mehr Nachwuchs, den ihrerseits die nächste Generation der Schmarotzer dann wieder infizieren kann. Diese durchdacht scheinende Strategie der Manipulation hatte man bisher vor allem bei Parasiten verschiedener einfacher Tiere nachgewiesen. Nun belegen Parasitologen aber, dass eine Infektion mit manchen Fadenwurmparasiten des Menschen ähnliche Effekte bei infizierten Frauen hervorrufen kann – während andere Fadenwürmer im Gegenteil die Fruchtbarkeit von Frauen sogar senken.

Die Ursache dieser unterschiedlichen Effekte scheinen in den von Wurmspezies zu Wurmspezies unterschiedlichen Strategien zu liegen, mit denen das Immunsystem auf sie reagiert. Verglichen haben die Forscher um Aaron Blackwell von der University of California in Santa Barbara dabei Hakenwürmer und Spulwürmer – beides typische, nicht gerade lebensgefährliche Parasiten, mit denen Menschen sich besonders unter hygienisch zweifelhaften Bedingungen schon seit Jahrhundertausenden infizieren. Zu finden sind die Würmer auch im Untersuchungsgebiet der Forscher im bolivianischen Regenwald, wo die indigenen Tsimane als Wildbeuter leben. Die Forscher haben Infektionen und Parasitenlast bei den weiblichen Tsimane über neun Jahre hinweg überwacht – und am Ende ausgewertet, dass die Infektionen eindeutig mit der Kinderzahl der Betroffenen korreliert: Die Frauen, die im Durchschnitt im Lauf ihres Lebens zehn Kinder bekommen, bekamen nur noch sieben, wenn sie häufig mit Hakenwürmern (Necator americanus) infiziert waren. Eine chronische Infektion mit Spulwürmern (Ascaris lumbricoides) erhöhte die Nachkommenschaft dagegen auf statistisch zwölf Kinder im Durchschnitt. Mit Hakenwürmern infizierte Frauen bekamen ihr erstes Kind insgesamt später, zudem wurden sie nach einer Geburt länger nicht wieder schwanger.

Als Ursache vermuten die Forscher die etwas unterschiedlichen Reaktionen des Immunsystems auf die beiden Fadenwurmarten. Hakenwürmer lösen nach einer Infektion eine Immunsystemreaktion aus, an der T1- wie auch T2-Helferzellen beteiligt sind. Dabei wird sowohl eine unmittelbare Attacke auf die Würmer ausgelöst als auch das Ausschütten von Antikörpern. Diese Mischreaktion bleibt bei Spulwürmern aus: Sie scheinen das Immunsystem bewegen zu können, die Abwehr vor allem auf Th2-Zellen zu beschränken. Eben diese Balanceverschiebung der Th1/Th2-Reaktion beobachtet man auch bei völlig gesunden Frauen in der Schwangerschaft. Offenbar verhindert der Körper so das Risiko von womöglich schädlichen Attacken der Th1-vermittelten Immunreaktionen auf den Embryo. Der Spulwurm – nicht aber der Hakenwurm – sorgt demnach für Immunsystembedingungen wie in der Schwangerschaft, konstatieren die Parasitologen – und somit womöglich für einen Schutz von gerade entstehendem Leben, fassen die Forscher zusammen. Wurminfektionen könnten damit einen bisher unterschätzen demografischen Effekt haben: Immerhin sind wohl um die 800 Millionen Menschen vor allem in den ärmsten Regionen der Erde mit dem einen oder anderen Wurm infiziert.

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