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Parasitismus: Parasiten treiben demente Opfer ins nasse Grab

Parasiten kennen keine Gnade, wenn ihr Wirt sterben muss, damit neue Parasiten geboren werden können. Wenn nötig, manipulieren sie auch das Verhalten ihrer Opfer.
Diese Heuschrecke befindet sich in nicht artgerechter Umgebung

Viele Parasiten sind in der Lage, das Hirn ihrer Opfer zu manipulieren. Sie zwingen den Wirt dann zu Dingen, die allein dem Lebensziel des Schmarotzers dienen. Wie die gezielte Gehirnwäsche funktioniert, ist dabei schlecht verstanden. Man spekuliert, dass die Parasiten mit bestimmten Signalmolekülen neue Neuronenverbindungen im Kopf des Wirts knüpfen oder dessen Gedächtnis und ganze Hirnregionen durch alzheimerdemenzähnliche Prozesse lahmlegen. Irgendwie sorgt das dann für sehr spezielle Verhaltensänderungen. Spektakulär verhalten sich dann etwa die Opfer von manchen Wurmparasiten, die sich als geschlechtsreife Würmer im Wasser paaren müssen, davor aber landlebende Insekten befallen: Also treiben die Parasiten das Insekt vor der Paarung zum Selbstmord in Form eines todbringenden Sprungs in das nächste Gewässer. Diesen manipulativen Trick beherrschen sehr unterschiedliche Parasiten wie die Fadenwürmer und die mit ihnen nicht verwandten Saitenwürmer – und beide gehen dabei verblüffend ähnlich vor, beschreiben nun Forscher um Ryan Herbison von der University of Otago im Fachblatt »Proceedings of the Royal Society B«.

Offenbar haben Faden- und Saitenwürmer – die zu unterschiedlichen Tierstämmen gehören – unabhängig voneinander gelernt, wie ein Insektenhirn biochemisch auf sehr ähnliche Weise zu Tode verwirrt werden kann. Untersucht hatte man das bisher vor allem an Saitenwürmern, die den Denkapparat ihrer Wirtsinsekten – meist Heuschrecken oder Grillen – durcheinanderbringen, indem sie den Proteinhaushalt der Hirnzellen stören. Herbison und Co suchten nach ähnlichen Vorgängen nun im Hirn von Ohrkneifern sowie von in Sandböden heimischen Flohkrebsen, die von den Mermithid-Fadenwürmern wie Mermis nigrescens und Thaumamermis zealandica befallen sind. Beide Gliedertierwirte reagieren nach einem Befall mit den Wurmparasiten ähnlich wie von Saitenwürmern in den Tod getriebene Heuschrecken.

Tatsächlich finden sich im Hirn der Fadenwurm-Wirte auch ähnliche Störungen, wie die Forscher mit Massenspektometer-Untersuchungen herausfanden: Stets verändert sich im Lauf der Infektion das Proteom, also das Verhältnis bestimmter Proteine in den Neuronen. Die Parasiten scheinen dabei im Detail wie der Saitenwurm vorzugehen. Sie sorgen dafür, dass Proteine des Energiestoffwechsels dysreguliert werden, was generell eine Verhaltensänderung hervorrufen könnte. Zudem aber verändert sich in allen Wirten auffällig das Verhältnis von Proteinen, die am Bau und Funktion von Synapsen und Dendriten von Hirnneuronen beteiligt sind. Dann produzieren betroffene Hirnzellen auch deutlich weniger vom Protein CaMKII, einer Kinase, die an Gedächtnisprozessen beteiligt ist – man kennt sie unter anderem als eines der Proteine, das bei der Alzheimerdemenz des Menschen eine wichtige Rolle spielt.

Dass zwei nicht verwandte Parasiten mit identischen Zielen derart ähnliche Veränderungen der Hirnchemie in ihren Wirten hervorrufen, kann eigentlich kaum Zufall sein, meinen die Forscher mit Blick auf ihre Untersuchung. Womöglich ist die Manipulation der Wirte dabei allerdings weniger subtil, als es zunächst den Anschein hat. Eher scheinen die Parasiten dafür zu sorgen, dass die Wirte zwar körperlich fit und aktiv bleiben, dies aber in einem demenzähnlichen Dämmerzustand abläuft. Das kann dann offenbar reichen, um mit ausreichender Regelmäßigkeit beim Herumlaufen in einen Tümpel zu fallen – wo die Parasiten ihr Opfer dann verlassen und sich paaren. Dabei schadet es den überlangen Würmern übrigens nicht, wenn ihr altes Wirtsinsekt rasch von Frosch oder Fisch gefressen wird: Die Parasiten finden dann ihren Weg meist dennoch über die Speiseröhre und aus dem Maul der Räuber heraus zurück ins freie Wasser, um dort dann ihren Lebenszyklus zu vollenden.

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