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Parkinson: Der Tischtennis-Effekt

Kann Pingpong Parkinson lindern? Die Meinungen gehen auseinander. Während Betroffene wie Frank Elstner überzeugt sind, fehlt es an soliden wissenschaftlichen Belegen. Ein Besuch an der Tischtennisplatte.
An mehreren Tischtennisplatten treten bei den PingPongParkinson German Open 2023 Spielerinnen und Spieler jeweils im Doppel gegeneinander an
An den PingPongParkinson German Open 2023 nahmen rund 200 Spielerinnen und Spieler teil, die an Morbus Parkinson erkrankt sind.

Einige zappeln unkontrolliert, andere schlurfen mühsam voran. Und während bei manchen der Unterarm wie bei Tics ständig nach oben schlägt, können einige ihren Arm kaum hochheben. Um die etwas steife Hüfte zu bewegen, sind wiederum andere auf einen Rollator angewiesen. Die beschriebenen Personen befinden sich nicht etwa in einem Pflegeheim oder einem Krankenhaus, sondern in einer großen Sporthalle. Und sie werden nicht nur anderen beim Sport zuschauen, sondern auch selbst an dem internationalen Wettkampf teilnehmen, der hier ausgetragen wird: Es sind die PingPongParkinson German Open 2023 in Düsseldorf.

Die Turnierteilnehmer haben alle eines gemeinsam: Sie sind an Parkinson erkrankt und leiden unter steifen Muskeln, ständigem Zittern, Konzentrations- und Gleichgewichtsstörungen. Manche schildern, dass sie sich fühlen, als seien ihre Beine am Boden festgeklebt. Hervorgerufen werden die Symptome durch den fortschreitenden Verlust bestimmter Nervenzellen, die normalerweise den Botenstoff Dopamin produzieren. Er reguliert vor allem unsere Bewegungen (siehe »Was ist Morbus Parkinson?«).

Tischtennis hingegen ist ein Sport, den der Weltklassespieler Timo Boll auch schon mal mit Schachspielen vergleicht. Neben diesen besonderen kognitiven Leistungen sind auch schnelle Reaktionen und Bewegungen nötig sowie plötzliche Stopps und Sprints, bei denen ständig Gewichtsverlagerungen stattfinden müssen. Schon wenn der Gegner ausholt, bleiben nur Tausendstelsekunden, um auf den folgenden Schlag zu reagieren. Wie passt also eine der schnellsten Ballsportarten mit den typischen Parkinsonsymptomen zusammen? Wie schaffen es die Spieler und Spielerinnen trotz Tremor und Muskelsteifheit, den kleinen weißen Ball zu treffen oder gar zu schmettern? Mehr noch: Beim Tischtennisspielen sollen sogar neue Neurone entstehen, die den Betroffenen das fehlende Dopamin liefern können.

Pingpong trotz Parkinson

In Deutschland ist die Begeisterung für den Sport unter Parkinsonerkrankten groß. Rund 1500 Spieler und Spielerinnen gehen in 170 Sportstützpunkten regelmäßig an die Tischtennisplatte, so Torsten Boomhuis, Vorsitzender von PingPongParkinson Deutschland e. V. Mit 38 Jahren erhielt der Jurist 2013 selbst die Diagnose Parkinson. Seit seiner Jugend spielt Boomhuis Tischtennis, und das mit Parkinson äußerst erfolgreich: 2019 wurde er bei der PingPongParkinson-WM in New York Weltmeister im Doppel. Er gründete daraufhin den PPP-Ableger in Deutschland, der mittlerweile größte der weltweit aktiven Vereine. Die Mitgliederzahlen steigen stetig.

»Das Wichtigste beim Tischtennisspielen ist, dass man sich bewegt, aber gleichzeitig das mentale Training«Frank Elstner, TV-Moderator

Viele von Boomhuis’ Vereinskolleginnen und -kollegen nehmen auch an den PPP German Open 2023 in Düsseldorf teil. Insgesamt gehen an den vier Wettkampftagen rund 200 Spieler, 140 Männer und 60 Frauen, aus 19 Nationen an den Start. Sie sind zwischen 32 und 82 Jahre alt. Das Durchschnittsalter liegt bei rund 60 Jahren. Mit dabei sind auch zwei bekannte Gesichter: der Komiker und Schauspieler Markus Maria Profitlich und der ehemalige TV-Moderator Frank Elstner, die ihre Parkinsonerkrankung 2018 und 2019 öffentlich machten. »Das Wichtigste beim Tischtennisspielen ist, dass man sich bewegt, aber gleichzeitig das mentale Training«, sagt der Wetten-dass-Erfinder Elstner in einem Interview mit dem Radiosender WDR 5. »Man will ja den Gegner ausknocken und überlegt sich, spiele ich lang, spiele ich kurz, spiele ich hart.« Es sei diese Beschäftigung mit dem Geist während des Sports, die so wichtig sei für Menschen, die an Parkinson erkrankt seien, ist Elstner überzeugt.

Eröffnung der PPP German Open 2023 | Der Gründer der weltweiten PingPongParkinson-Vereine Nenad Bach (2. v. l.) hofft, dass mehr dazu geforscht wird, inwiefern Tischtennis die Symptome von Parkinsonpatienten lindern kann. Aufmerksamkeit sollen auch prominente Teilnehmer wie Comedian Markus Maria Profitlich (3. v. l.) und Moderator Frank Elstner (3. v. r.) generieren.

Auch in der Sporthalle in Düsseldorf ist das zu erkennen: Sobald die Spielerinnen und Spieler an der Tischtennisplatte stehen, wird die Schlaghand ruhiger, die Schlagbewegung wirkt präzise und überlegt. Sie sind mit vollem Einsatz dabei, auch wenn sich der eine oder die andere kurz nach dem Schlag auf der Platte abstützen muss.

»Ich bin so richtig glücklich, wenn ich erschöpft aus der Halle komme«Theo König, an Parkinson erkrankt

Zwischen Glücksgefühlen und Verletzungsrisiko

Einer der Turnierteilnehmer ist Theo König. Der ehemalige Bundeswehrsoldat trainiert mit anderen Erkrankten im PingPingParkinson-Stützpunkt in Dülmen im Münsterland. König hat seine Diagnose seit sieben Jahren. Bei ihm äußert sich die Erkrankung mit einem Tremor im rechten Arm und Bein und darin, dass sein Gedächtnis zusehends schlechter wird. Früher ist er Marathon gelaufen, jetzt bewältigt er nur noch kleinere Strecken. Doch seit fast zwei Jahren spielt er Tischtennis. »Ich bin so richtig glücklich, wenn ich erschöpft aus der Halle komme«, sagt König. Während er bei sich selbst keinen körperlichen Effekt feststellt, ist dies bei seinen schon länger erkrankten Mitspielern nach jeder Trainingseinheit deutlich zu sehen.

Sein Vereinskollege Bernd B. etwa ist seit 37 Jahren erkrankt und bewegt sich schwerfällig auf einem Rollator sitzend mit Hilfe von anderen durch die Sporthalle. An der Tischtennisplatte angekommen, muss er sich mit einer Hand abstützen, damit er nicht stürzt. Doch wenn er die Tischtennisbälle zum Gegenspieler hinüberschlägt, steht er frei. Verlässt er nach der zweistündigen Sporteinheit die Halle, gelingt ihm das wesentlich selbstständiger. Beim Tischtennis könne er die Erkrankung vergessen, sagt Theo König. Nur verletzte er sich zu Beginn häufiger an den Sprunggelenken. Jetzt habe er damit keine Probleme mehr.

Tischtennis hat im Gegensatz zu manch anderen Sportarten ein relativ geringes Verletzungsrisiko. Doch wie verhält sich das bei Parkinsonerkrankten? Kann der Sport überhaupt ausgeübt werden, ohne ständig zu stürzen, wenn die Kontrolle über die Bewegung der Arme und Beine plötzlich entgleiten kann? Und wirkt sich der Sport auch messbar positiv auf die Krankheitssymptome aus? Es gibt nur wenige Studien, die sich mit diesen Fragen befassen, und sie alle haben meist nur eine geringe Teilnehmendenzahl.

An einer solchen Pilotstudie von Forschenden des Karolinska-Instituts in Stockholm nahmen neun Parkinsonerkrankte teil, die ihre Diagnose im Schnitt 8,6 Jahre zuvor erhalten hatten. Die fünf Männer und vier Frauen mit einem Durchschnittsalter von 66 Jahren und einer beidseitigen Parkinsonsymptomatik mit leichter Behinderung spielten über einen Zeitraum von zehn Wochen zweimal die Woche für jeweils zwei Stunden Tischtennis. Dabei kam es bei keinem der Teilnehmenden zu Schmerzen oder Verletzungen, nur einer musste aus logistischen Gründen das Training vorzeitig abbrechen.

Um mögliche Effekte des Trainings zu ermitteln, führten die Spieler und Spielerinnen vorher und nachher verschiedene körperliche Tests durch. Darüber hinaus füllten sie Fragebogen zur Lebensqualität und möglichen depressiven Symptomen aus. Während sehr viele der Studienteilnehmer im Gespräch äußerten, dass das Tischtennisspielen ihr Wohlbefinden und ihre körperliche Aktivität deutlich steigert, und sich das in den Fragebogen bestätigte, waren die Ergebnisse bei den physischen Untersuchungen nicht so eindeutig. Zwar besserte sich bei den meisten die Körperbalance und sie konnten auch den Zehn-Meter-Gehtest nach dem Training schneller als zuvor absolvieren, doch war die Verbesserung in beiden Fällen statistisch nicht signifikant genug.

Die Forschenden kommen dennoch zu einem positiven Fazit: Tischtennisspielen könne von Parkinsonerkrankten nicht nur sicher absolviert werden; vielmehr habe sich zudem gezeigt, dass sich das psychische Wohlbefinden und das körperliche Aktivitätslevel messbar verbesserten. Auch die Trends bei den Geh- und Balancetests seien positiv für die relativ kurze Beobachtungszeit und vergleichbar zu Studien mit anderen Interventionen.

Zwei Jahre nach der Studie der schwedischen Forschenden untersucht auch Kenichi Inoue mit seinem Team von der Fukuoka-Universität in Japan, wie sich gezieltes Pingpong-Training bei Parkinsonerkrankten auswirkt. In der ebenfalls kleinen Studie spielten neun Probanden über einen längeren Zeitraum von sechs Monaten Tischtennis. Einmal in der Woche trainierten die im Schnitt 72-Jährigen für jeweils sechs Stunden. Tischtennis sei »eine Form der Bewegung, die bei der Allgemeinbevölkerung nachweislich die Hand-Augen-Koordination verbessert, die Reflexe schärft und das Gehirn stimuliert«, so Studienautor Kenichi Inoue. Das traf in Teilen auch für die Studienteilnehmenden zu, die im Schnitt 7,5 Jahre zuvor ihre Diagnose bekommen hatten. So zeigten Tests nach drei und sechs Monaten, dass sich die Motorik der Spieler im Vergleich zu vorher signifikant verbesserte. Außerdem konnten die Betroffenen Alltagsbewegungen wie das Verlassen des Betts oder das Aufstehen von einem tiefen Stuhl selbstständiger ausführen. Sogar auf ihre Sprache hatte das Training einen positiven Effekt. Die Forschenden weisen auch hier darauf hin, dass es sich nur um eine Pilotstudie handelt und größere Untersuchungen nötig sind.

»Man sieht, dass bei vielen Spielern während der Ballwechsel das Zittern weniger wird und die Motorik insgesamt flüssiger wirkt«Timo Klein-Soetebier, Sportwissenschaftler

Weitere relevante Studien speziell zu Tischtennis und Parkinson gibt es bislang nicht. Doch die Spielerinnen und Spieler sind überzeugt, dass ihnen der Sport hilft. Das zeigt auch eine Umfrage, die Timo Klein-Soetebier von der Deutschen Sporthochschule Köln 2022 durchgeführt hat. »Aus unserer Befragung ging hervor, dass vielen Spielern das konzentrierte, feinmotorische Agieren am Tisch hilft«, sagt Klein-Soetebier, der am Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik in der Abteilung für Kognitions- und Sportspielforschung arbeitet, gegenüber der dpa. »Man sieht, dass bei vielen Spielern während der Ballwechsel das Zittern weniger wird und die Motorik insgesamt flüssiger wirkt.«

Auch die Parkinson’s Foundation aus den USA schreibt: »Sport und insbesondere Tischtennis wirken positiv auf Parkinsonpatienten, weil sie so viele Teile des Körpers und des Gehirns trainieren und gleichzeitig das Timing, den Rhythmus und das Gleichgewicht stärken.«

Ohne Medikamente geht es nicht

Vor allem der letzte Punkt, das Gleichgewichtstraining, reizt die ehemalige Ärztin Negin Schaller an dem Sport. Auch sie geht bei den German Open 2023 an den Start. »Ich bin momentan im Off«, sagt die Spielerin. Sie kommt gerade von einem Match. Sie spricht von einem Zustand, der bei manchen nach meist mehrjähriger Therapie auftritt: Im Off-Zustand kann der Dopaminmangel im Gehirn trotz Medikamentengabe nicht mehr ausgeglichen werden, Bewegungen lassen sich immer schlechter steuern, einige Betroffene sind dann zumindest kurzzeitig wie zur Salzsäule erstarrt. Hinzu kommen mitunter ein Gefühl großer Beklemmung, Muskelschmerzen und ein jäher Stimmungswechsel. Negin Schaller war auch schon während des Spiels im Off-Zustand, sagt sie. Sie habe es gerade noch so geschafft, zu Ende zu spielen. Jetzt geht sie fast auf Zehenspitzen und zieht schlurfend beide Beine nach vorne. Hin und wieder gerät sie aus dem Gleichgewicht und wankt.

Negin Schaller | Die ehemalige Ärztin Negin Schaller (hintere Spielerin) bemerkte die ersten Symptome ihrer Parkinsonerkrankung mit 39 Jahren.

Negin Schaller wurde in Teheran geboren, mit 19 zog sie nach Wien und studierte dort Humanmedizin. Die ersten Symptome spürte sie vor 18 Jahren in der Schwangerschaft – da war sie gerade einmal 39 Jahre alt. Bei ihr sind es Zittern, verlangsamte Bewegungen und Gleichgewichtsstörungen, die den Alltag erschweren. Die Symptome zeigen sich bei ihr eher abwärts der Hüfte, immer mit der Gefahr zu stürzen. Seit 2017 arbeitet sie nicht mehr als Ärztin, hat aber seitdem angefangen, zweimal die Woche Tischtennis statt wie zuvor Tennis zu spielen. »Da ist der Platz kleiner und ich kann mein Gleichgewicht halten«, erklärt sie.

Das ist für Jens Burfeind weitaus schwieriger. Wenn der frühere Toningenieur an der Tischtennisplatte steht und auf den gegnerischen Ball wartet, können sich Teile seines Körpers unkontrolliert bewegen. Immer mal wieder schlackern Arme, Beine, Schultern oder Hals wie bei einer durchgeschüttelten Gliederpuppe. Dann aber – kurz bevor der kleine weiße Ball in seine Richtung fliegt – wird die Bewegung seiner Schlaghand ganz kurz ruhig und er trifft den Ball präzise.

Burfeinds Symptome sind eigentlich Konzentrationsschwierigkeiten und stark verlangsamte Bewegungen. Dass er sich so überbeweglich zeigt, liegt an den Tabletten, die er täglich mehrmals einnimmt, sagt er. Ohne Medikamente scheint bei den German Open 2023 kaum ein Teilnehmer zu spielen, immer wieder drückt einer aus einem silbernen Blister eine Tablette raus. Nebenwirkungen der Mittel spüren alle, allerdings selten so extrem wie Jens Burfeind. Im normalen Alltag muss er alle zwei Stunden das Ersatzmedikament L-Dopa einnehmen. Doch wenn er Tischtennis gespielt hat, braucht er weniger davon und kann ohne Auffälligkeiten auch mal eine halbe oder ganze Stunde damit warten. Jetzt, am Ende des ersten Wettkampftags, durchflute ihn auch eine Stunde später noch das eigene, selbst produzierte Glückshormon, erzählt er.

© Simon Klinworth
Jens Burfeind bei den PPP German Open 2023
Der ehemalige Toningenieur Jens Burfeind (Spieler rechts) zeigt immer mal wieder unkontrollierte Körperbewegungen. Doch kurz bevor er den Tischtennisball schlägt, werden seine Bewegungen ruhiger und kontrollierter.

»Es sind nicht nur die Geselligkeit und die sportliche Aktivität, sondern auch der Wettkampf, der die Produktion von Dopamin fördert«, sagt der Neurologe Martin Südmeyer, der zu Parkinson forscht und die Klinik für Neurologie in Potsdam leitet. Trotz der dünnen Datenlage ist er ebenfalls davon überzeugt, dass sich Tischtennis für Parkinsonpatienten gerade wegen der vielfältigen Herausforderungen für Körper und Geist besonders gut eignet. »Es entstehen neue Schaltkreise im Gehirn, das Belohnungssystem wird getriggert und der Sport fördert zudem die soziale Interaktion«, so der Mediziner.

Ebenso sieht es der Gründer der weltweiten PingPongParkinson-Vereine, der US-Amerikaner Nenad Bach. Bei seiner Eröffnungsrede zu den German Open 2023 schaut er einmal quer über die voll besetzten Ränge der Sporthalle und sagt auf Englisch: »Mein Herz singt, wenn ich die vielen Spieler sehe, das ist eine Lawine.« Er hoffe, dass solche spektakulären Events ein Zeichen sind, damit mehr zu den positiven Effekten des Sports geforscht wird.

»Wissenschaftliche Evidenz gibt es bislang nur wenig«Martin Südmeyer, Neurologe

Denn: Es gibt zwar viele Stimmen auf der einen Seite, die ähnlich wie Frank Elstner, Negin Schaller, Theo König oder Jens Burfeind davon berichten, dass das Tischtennisspielen ihre Symptome verbessert und sie weniger Medikamente einnehmen müssen. Auf der anderen Seite wissen die Spieler und Spielerinnen, dass derzeit nur wenige Studien existieren, die diese Wirkung untermauern. Das bestätigt auch der Potsdamer Neurologe Martin Südmeyer: »Wissenschaftliche Evidenz gibt es bislang nur wenig, insbesondere dazu, was auf funktionaler Ebene passiert.« Zwar seien in Deutschland mehr als 400 000 Menschen an Parkinson erkrankt und Medikamente zur Linderung der Symptome gut untersucht. Doch zu den Effekten von Sport und speziell Tischtennis gebe es keine Sponsoren für die aufwändigen Gruppenanalysen, die nötig wären. Südmeyer ist auch im Vorstand der Thiemann-Stiftung, die Lücken in der Parkinsonforschung schließen will.

Hauptsache, Sport?

Ist es denn vielleicht eher Sport allgemein und nicht nur Tischtennis, der Erkrankten hilft? Oder gilt das bloß für spezielle Sportarten? Dass sich Sport generell positiv auf kognitive Leistungen auswirkt, haben schon einige Studien gezeigt. So werteten 2018 Forschende der University of Canberra in einer Metastudie die Ergebnisse von 39 Studien aus, die den Effekt verschiedener Sportarten bei über 50-Jährigen untersuchten. Demzufolge verbesserten ganz unterschiedliche Formen der körperlichen Betätigung wie Aerobic, Krafttraining oder auch Tai-Chi die kognitiven Fähigkeiten der Studienteilnehmer. Die besten Effekte erzielten dabei Trainings von mäßiger Intensität, die sowohl aerobe als auch kraftbasierte Elemente enthielten und mindestens 45 Minuten pro Einheit dauerten.

Hinweise darauf, dass sich körperlich anstrengender Sport besonders positiv auf die Struktur und das Volumen des Gehirns auswirkt, findet auch Südmeyer. Er verweist auf eine Studie aus 2022 von Forschern und Forscherinnen aus den Niederlanden: Hier führte eine Gruppe an Parkinsonerkrankten für sechs Monate dreimal die Woche ein aerobes Training auf einem Fahrradergometer durch, während eine andere zur Kontrolle in der gleichen Zeit ein Stretching absolvierte. Magnetresonanztomografien (MRTs) konnten bei den Studienteilnehmern mit dem Fahrradtraining tatsächlich Veränderungen im Gehirn darstellen: Das aerobe Training verbesserte nicht nur die kognitiven Leistungen, sondern erhöhte proportional zur Verbesserung der Fitness auch die funktionelle Konnektivität in bestimmten Gehirnregionen. Gleichzeitig reduzierte sich die globale Hirnatropie, also der Verlust an Volumen der Hirnsubstanz.

Welche Sportarten sich besonders gut für Parkinsonpatienten eignen, wollte auch die Neuropsychologin Elke Kalbe, Professorin an der Medizinischen Fakultät der Uniklinik Köln, herausfinden. In einer Metastudie verglich sie die Wirkung von Sportarten wie Tanzen, Wassersport, Ausdauersport, Kognitionstraining oder Tai-Chi auf Parkinsonerkrankte. Doch im Vergleich zu einer passiven Kontrollgruppe zeigen die meisten untersuchten Sportarten positive Wirkungen: Die Unterschiede sind nicht groß. Kalbes Fazit für Menschen mit Parkinson ist deshalb: »Machen Sie das, was Ihnen Spaß macht! So bleiben Sie auch langfristig dabei.«

Am Ende der German Open 2023 heißt es zumindest: Verletzt hat sich keiner, und sowohl Organisatoren als auch die Spielerinnen und Spieler ziehen eine positive Bilanz. Und wenn Theo König mittwochs wieder mit seinen Sportsfreunden in Dülmen Tischtennis spielt, hat er jede Menge Spaß. Das ist jedenfalls – trotz Forschungslücken – in der gesamten Tischtennishalle zu hören.

Was ist Morbus Parkinson?

Die fortschreitende neurodegenerative Erkrankung Morbus Parkinson führt zu Symptomen wie steifen Muskeln (Rigor), verlangsamten Bewegungen (Bradykinese) und unkontrollierbarem Zittern (Tremor). Benannt wurde sie nach dem Arzt James Parkinson, der die Hauptsymptome erstmals 1817 als »Schüttellähmung« beschrieb. Die Symptome entwickeln sich schleichend: Sie beginnen meist einseitig, intensivieren sich im Verlauf der Erkrankung und beeinträchtigen die Betroffenen zunehmend im Alltag und ihrer Selbstständigkeit.

Morbus Parkinson ist nach Alzheimer die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. In Deutschland sind derzeit etwa 400 000 Menschen betroffen, wobei Männer häufiger als Frauen erkranken. Die Diagnose erfolgt häufig zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr, bei jedem zehnten Patienten jedoch noch vor dem 40. Lebensjahr.

Die Ursachen der Erkrankung sind vielschichtig und können genetische Veranlagung, Umweltfaktoren und andere Einflüsse umfassen. Das so genannte primäre oder idiopathische Parkinson-Syndrom (IPS) betrifft eine spezielle Hirnregion, die schwarze Substanz (Substantia nigra) im Mittelhirn. Hier sterben Nervenzellen ab, die den Botenstoff Dopamin produzieren, der unter anderem für die Bewegungssteuerung wichtig ist.

Die Parkinsonsymptome lassen sich durch einen Ausgleich des Dopaminmangels lindern. Dazu werden als Ersatz L-Dopa oder ähnlich wirkende Medikamente gegeben oder man unterbindet den Abbau des vorhandenen Dopamins mit Hemmern wie MAO-B und COMT. Die tiefe Hirnstimulation, bei der bestimmte Hirnregionen durch elektrische Impulse stimuliert werden, zeigt vor allem in frühen Stadien positive Wirkungen. Zusätzlich unterstützen rechtzeitige logopädische, ergo- und physiotherapeutische Maßnahmen die Betroffenen dabei, ihren Alltag besser zu bewältigen.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG)

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