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Hirnforschung: Parteiische Wahrnehmung

Die Gruppenzugehörigkeit beeinflusst unsere Wahrnehmung.
Nach dem Spiel gehen siegreiche Mannschaften gerne in die Fankurve, um sich feuern zu lassen.

In vielen Situationen entscheiden wir nicht unbedingt objektiv und gerecht. Bei Fußballspielen verzeihen wir etwa der eigenen Mannschaft alles bis hin zur Blutgrätsche, die Gegner haben aber bei jeder unfairen Berührung natürlich gleich die rote Karte verdient. Schuld daran ist offenbar unsere Wahrnehmung: Sie spielt uns regelmäßig einen Streich, wenn wir Mitglieder der eigenen oder der gegnerischen Gruppe beobachten.

Der australische Psychologe Pascal Molenberghs und seine Kollegen von der University of Queensland trugen mit ihren Versuchsteilnehmern zwar keinen Wettkampf auf dem Bolzplatz aus, dafür aber im Labor. Zunächst teilten sie ihre – alle samt männlichen – Probanden in zwei Teams ein. Als Zeichen ihrer Mannschaftszugehörigkeit trugen sie dabei eine rote oder eine blaue Jacke. Anschließend absolvierten die Teilnehmer einen Reaktionstest, bei dem sie möglichst rasch nach einem Startsignal auf einen Knopf drücken mussten. Ziel war es, schneller zu sein als das Gegenüber aus der anderen Mannschaft.

Tatsächlich interessierten sich die Forscher aber nicht für die Reaktionszeit, sondern dafür, wie die Versuchsteilnehmer im Anschluss ihr eigenes Team und ihre Gegner bewerteten. Dazu sollten sie auf Videoaufnahmen einschätzen, welches Mannschaftsmitglied jeweils schneller reagiert hatte. Die meisten Probanden hielten in über der Hälfte aller Fälle ihr Team für schneller – selbst wenn die Forscher die Videos vorher so manipuliert hatten, dass faktisch beide Bewegungen genau gleich erschienen.

Die Hälfte der Versuchsteilnehmer absolvierte diese Übung im Magnetresonanztomografen, so dass Molenberghs und seine Kollegen Rückschlüsse auf die Hirnaktivität ziehen konnten. Tatsächlich zeigte sich bei den Probanden, die besonders dazu neigten, die eigenen Leute besser zu bewerten, eine erhöhte Aktivität in bestimmten Regionen des motorischen Kortex, sobald sie ihre Mannschaft beobachteten.

Demnach hängt unsere Urteilsfähigkeit von der Situation ab: Fühlen wir uns einer Gruppe von Menschen besonders verbunden, dann nehmen wir auch ihrer Handlungen positiv verzerrt wahr.

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