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Partnerschaft: Warum Menschen fremdgehen

Ob Wut, Selbstzweifel oder das Gefühl, nicht geliebt zu werden: Untreue gegenüber dem Partner kann viele Ursachen haben. Um Sex an sich geht es dabei nur selten.
Mann und Frau gehen fremd und werden erwischt

Fremdgehen wird von vielen als der ultimative Vertrauensbruch und als notorischer Beziehungskiller betrachtet. Obwohl das Thema viele zu Klatsch und Tratsch inspiriert, ist es nur schwer zu untersuchen. Das Ziel ist es immerhin, nicht erwischt zu werden. Warum also seine Untreue im Namen der Wissenschaft gestehen?

Einem Team um Dylan Selterman von der University of Maryland ist es nun dennoch gelungen, die Ursachen des Fremdgehens näher zu beleuchten. Die Ergebnisse zeigen, dass Betrug in der Partnerschaft keine einfache Angelegenheit ist. Es gibt viele Gründe, die Menschen dazu verleiten können, ihrem Partner oder ihrer Partnerin gegenüber untreu zu werden, und die Muster sind komplexer, als gängige Stereotype vermuten lassen.

Die Untersuchung stützt sich auf die Daten von 495 Personen, von denen sich 87,9 Prozent als heterosexuell identifizierten und die über einen Teilnehmerpool an einer großen US-Universität sowie diverse Reddit-Seiten zu Beziehungsthemen rekrutiert worden waren. Alle Probanden gaben zu, in ihrer Beziehung schon einmal fremdgegangen zu sein, und beantworteten die Frage, die dem Rätsel zu Grunde liegt: Warum haben Sie das getan?

Acht Gründe für das Fremdgehen

Basierend auf den Antworten konnten die Forscherinnen und Forscher insgesamt acht Hauptgründe ausmachen: Wut auf den Partner, den Wunsch, das eigene Selbstwertgefühl zu pushen, fehlende Liebe, eine geringe Verbindlichkeit, das Bedürfnis nach Abwechslung, Vernachlässigung, sexuelles Verlangen und Umstände, die schlicht der Situation geschuldet waren. Diese Faktoren beeinflussten nicht nur, warum die Menschen fremdgingen, sondern auch, wie lange sie es taten, wie viel sexuelles Vergnügen sie dabei empfanden, wie viel sie emotional in die Affäre investierten und ob ihre eigentliche Beziehung als Folge davon endete.

Obwohl Fremdgehen oft Sex beinhaltet, geht es dabei nur selten um den Sex selbst. Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer fühlten sich auch emotional zu ihrem Affärenpartner hingezogen. Das war signifikant häufiger bei denjenigen der Fall, die angaben, unter Vernachlässigung oder einem Mangel an Liebe in ihrer ursprünglichen Beziehung zu leiden. Etwa zwei Drittel (62,8 Prozent) gaben zu, ihrem neuen Partner gegenüber Zuneigung zu zeigen. Ungefähr vier von zehn (37,6 Prozent) führten intime Gespräche, während einer von zehn (11,1 Prozent) sagte: »Ich liebe dich.« Diejenigen, die berichteten, dass sie sich weniger mit ihrem Hauptpartner verbunden fühlten, erlebten in der Affäre eine größere emotionale Intimität – vermutlich, um dieses Bedürfnis auch zu befriedigen. Wenn Untreue mit mangelnder Liebe verbunden war, empfanden die Betroffenen die Erfahrung zudem intellektuell und emotional als befriedigender.

Auch wie zufrieden die Probandinnen und Probanden mit dem Sex waren, unterschied sich je nach Grund für die Affäre. Die Befragten fühlten sich sexuell erfüllter in ihrer Affäre, wenn sie aus Lust, mangelnder Liebe oder einem Bedürfnis nach Abwechslung fremdgingen. Diejenigen, die eher fremdgingen, weil die Situation es gerade anbot, waren hingegen weit weniger zufrieden. Ein Großteil der sexuellen Aktivität beschränkte sich auf Küssen (86,7 Prozent) und Kuscheln (72,9 Prozent). Nur etwa die Hälfte der Befragten gab an, auch vaginalen Geschlechtsverkehr mit dem Affärenpartner gehabt zu haben.

Diejenigen, die aus Wut, fehlender Liebe oder dem Bedürfnis nach Abwechslung fremdgingen, hatten tendenziell längere Affären

Der Grund für die Untreue hatte auch einen großen Einfluss auf die Länge der Affäre. In einigen Fällen war sie bloß ein kurzes Stelldichein, während andere Teilnehmer eine längere und tiefere Bindung zu ihrem neuen Partner entwickelten. Diejenigen, die aus Wut (beispielsweise dem Wunsch nach Rache), fehlender Liebe oder dem Bedürfnis nach Abwechslung fremdgingen, hatten tendenziell längere Affären, während diejenigen, die durch die Situation motiviert waren (etwa weil sie betrunken oder »überwältigt« waren und »nicht klar denken konnten«), den Seitensprung früher beendeten. Frauen hatten dabei im Durchschnitt längere Affären als Männer.

Jeder Dritte gesteht am Ende

Am Ende gab nur ein Drittel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Betrug gegenüber ihrem eigentlichen Partner zu. Frauen waren eher geneigt, einen Seitensprung zu gestehen, als Männer. Vor allem Menschen, die aus Wut fremdgingen oder weil sie sich vernachlässigt fühlten, berichteten am Ende die Wahrheit. Bei Personen, die sich nach Abwechslung sehnten oder ihrem sexuellen Verlangen folgten, war das hingegen seltener der Fall. Das deutet darauf hin, dass manche Probanden ihr Geständnis möglicherweise ebenfalls als eine Form der Vergeltung betrachteten anstatt als Gelegenheit, ihr Gewissen zu beruhigen. Teilnehmer, die ihren Fehltritt eingestanden, waren zudem auch eher dazu bereit, eine feste Beziehung mit dem Affärenpartner einzugehen. Dazu passt auch die Beobachtung, dass Menschen, die aus Mangel an Liebe fremdgingen, sich tendenziell weniger Mühe gaben, ihre Affäre zu verbergen: So hatten sie etwa mehr öffentliche Verabredungen und zeigten häufiger offen ihre Zuneigung.

Bedeutet eine Affäre also tatsächlich immer das Ende einer Beziehung? Auch hier kommt es auf die Gründe an: Die Fremdgeher beendeten ihrer eigentliche Partnerschaft eher, wenn ihr Seitensprung aus Wut, mangelnder Liebe, einem geringen Gefühl der Verpflichtung oder Vernachlässigung resultierte. Geschah die Untreue hingegen aus der Situation heraus, war dies seltener der Fall. Überraschenderweise endete nur eine von fünf Beziehungen (20,4 Prozent) auf Grund der Affäre. Ebenso viele Paare (21,8 Prozent) blieben zusammen, obwohl der Hauptpartner von dem Seitensprung erfuhr, während etwas mehr (28,3 Prozent) zusammenblieben, ohne dass der Partner etwas ahnte. Die übrigen Beziehungen zerbrachen aus Gründen, die nichts mit Untreue zu tun hatten.

Bei den Paaren, die sich trennten, entwickelte sich aus der Affäre nur selten eine echte Beziehung: Nur bei einer von zehn Affären (11,1 Prozent) kamen die Beteiligten im Anschluss auch offiziell zusammen.

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