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News: Partystimmung im Glas

Manchmal entstehen wie von selbst kuriose Figuren, wenn sich Wasser und Sand entsprechend bewegen. Ähnlich überraschende Ergebnisse durften Wissenschaftler nun auch bei einem anderen körnigen Material beobachten, das sie zwischen zwei Glasplatten tanzen ließen.
Kupferkügelchen, die Formeb bilden
Streut man etwas Sand auf eine Metallplatte und streicht die Außenkante mit einem Geigenbogen an, fängt das Metall an zu schwingen und die Körner beginnen auf einmal zu tanzen. An einigen Stellen bewegt sich die Platte dabei besonders heftig, an anderen wiederum gar nicht. Dort lagern sich die Körner ab und bilden interessante Muster: Chladnische Klangfiguren.

Etwas Ähnliches versuchten Maksim Sapozhnikov und seine Kollegen vom Argonne National Laboratory und der Russian Academy of Sciences auf einer sehr viel kleineren Skala zu erreichen: Sie benutzten keinen Sand sondern 120 Mikrometer kleine Bronzekügelchen.

Diese wurden in eine 1,5 Millimeter dicke Kammer zwischen zwei Glasplatten gefüllt. Die Platten waren dabei mit einem durchsichtigen leitenden Material beschichtet, sodass sich über ihnen eine Spannung von bis zu 4,5 Kilovolt anlegen ließ.

Die Bronzekugeln wurden also zunächst an der unteren Glasplatte elektrisch aufgeladen und dann von der entgegengesetzt geladenen Deckenplatte angezogen. Wenn die Anziehungskraft groß genug war, um die Schwerkraft zu überwinden, schwebten die Kügelchen nach oben, gaben ihre Ladung an der Decke ab und sanken wiederum zu Boden – sodass der Prozess wieder von vorne beginnen konnte. Eigentlich wurden die Kügelchen also "geschüttelt" – wenn auch nicht auf mechanischem Wege.

Zunächst einmal tat sich dabei nichts Ungewöhnliches. Die Teilchen bildeten bei niedrigen Spannungen wahllos kleine Häufchen am Boden und hüpften bei hohen zufällig auf und ab – zumindest wenn die Kügelchen sich in Luft bewegten. Auch als die Forscher den Raum mit der nicht leitenden Flüssigkeit Toluol füllten, änderte sich nichts an der Situation.

Erst die Zugabe von mehr als drei Prozent Ethanol erhöhte die Kontaktbereitschaft in der Glaskammer. Die Metallteilchen lagerten sich bei relativ niedriger Spannung entweder in wabenartigen Strukturen oder in so genannten Wignerkristallen ab, je nachdem, in welche Richtung das angelegte Feld zeigte.

Eine weitere Erhöhung sowohl der Ethanolkonzentration als auch der Spannung führte sogar zur Bildung von äußerst dynamischen Sternen, die um sich selbst rotierten. Auch hier entwickelten sich die Figuren ganz unterschiedlich – je nach Feldrichtung. War die Decke beispielsweise positiv geladen, verschmolzen sie miteinander und blieben über einen längeren Zeitraum stabil. War dagegen der Boden positiv geladen, lösten sich die Objekte auf, und es bildeten sich große Hohlräume mit einem pulsierenden Ring drum herum.

Doch wodurch entstanden diese Muster? Die Forscher führen sie auf den Alkohol zurück. Sie vermuten, dass er im elektrischen Feld in negative Ionen – unter anderem OH- – zerfiel. Dadurch war die Flüssigkeit selbst leicht negativ geladen, stieß die negativen Kupferkügelchen ab und ließ sie länger an der positiv geladenen Seite der Kammer haften. Die Teilchen sammelten sich demzufolge bevorzugt auf einer Seite. Die gleich geladenen Kügelchen stießen sich aber wiederum gegenseitig zur Seite, bevor sie zur anderen Glasplatte wechselten: Es entstanden also Wirbel.

Diese so genannten Konvektionsströme sorgten denn auch dafür, dass bei negativ geladener Deckenplatte die Kügelchen von oben nach unten in das Zentrum des Sterns hineinströmten und im anderen Fall davon weg – was sich auch nachweisen ließ. Daher waren die Figuren einmal stabil, und ein anderes Mal lösten sie sich auf.

Nun dienen die Experimente von Sapozhnikov und seinen Kollegen nicht nur dazu, schöne Muster zu erzeugen. Vielleicht können die Wissenschaftler eines Tages solch winzige Teilchen dazu bewegen, sich selbst spontan zu nützlichen Mustern zu ordnen. In der Zwischenzeit allerdings kann man sich auch einfach an der Schönheit der Figuren erfreuen.

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