Direkt zum Inhalt

Tierversuche: Patente auf Schimpansen gelten nicht mehr

Für Experimente verändern und patentieren Forscher Tiere. Nun hat das Europäische Patentamt zwei Patente auf Menschenaffen für ungültig erklärt. Tierschützer sind zuversichtlich.
Patente auf Schimpansen gelten nicht mehr

Nach jahrelangem Rechtsstreit sind zwei Patente auf gentechnisch veränderte Menschenaffen nicht mehr gültig. Ein Bündnis von Tier- und Umweltschutzorganisationen hatte gegen die Patente einer US-Firma gekämpft. Dass die Patentansprüche nicht mehr gelten, sei ein klares Signal an alle Wissenschaftler, »die zum Leiden fähige Tiere nur als ein Werkzeug der Forschung sehen«, sagt unter anderem die Affenforscherin Jane Goodall, die sich ebenfalls für das Verbot engagiert hatte.

Nach Beschwerden der Gegner hatte die Technische Beschwerdekammer als gerichtliche Instanz des Europäischen Patentamts (EPA) die Ansprüche auf Schimpansen und andere Tiere als nicht patentfähig beurteilt. Sie verwies dabei auf eine Regel, nach der Patente auf die genetische Veränderung von Tieren verboten sind, wenn daraus »Leiden dieser Tiere ohne wesentlichen medizinischen Nutzen für den Menschen oder das Tier« resultieren können. Erstmals seien damit Ansprüche auf gentechnisch veränderte Versuchstiere aus ethischen Überlegungen gänzlich zurückgenommen worden, erklärte das Bündnis am Donnerstag.

»Wir fordern nach wie vor ein generelles Verbot von Patenten auf Tiere«
Ruth Tippe, Kein Patent auf Leben!

»Es hat fast 30 Jahre gedauert, bis das EPA an diesen Punkt gelangt ist und zum ersten Mal die Patentierung von gentechnisch veränderten Tieren stark einschränken will«, sagte Ruth Tippe von der Initiative Kein Patent auf Leben!. »Wir fordern nach wie vor ein generelles Verbot von Patenten auf Tiere aus ethischen Gründen.«

Das EPA stellte klar, dass nun zwar die Ansprüche auf die Tiere gestrichen sind, die Patente an sich mit dem Anspruch auf die Art der Genveränderung bestehen bleiben könnten. Darüber habe nun die Einspruchabteilung zu entscheiden.

DNA-Stücke von Insekten kamen ins Affen-Erbgut

Mit der neuen Linie sollten mindestens Patente auf landwirtschaftlich genutzte Tiere wie Kühe und Schweine Vergangenheit sein, »da hier keinerlei medizinischer Nutzen zu erwarten ist«, sagte Gudula Madsen vom Gen-ethischen Netzwerk. Zwar wurden laut Christoph Then von der Organisation Testbiotech einige Patente etwa auf Kühe mit hoher Milchleistung erteilt, jedoch standen diese nie in Ställen hiesiger Bauern. Verbraucher lehnen Gentechnik hier zu Lande weitgehend ab.

Bei den nun in der ursprünglichen Form nicht mehr gültigen Patenten (EP1456346 und EP1572862) wurden DNA-Stücke von Insekten ins Erbgut von Affen geschleust. Solche Affen könnten etwa bei der Entwicklung von Krebstherapien genutzt werden. Die Patente beanspruchten auch Mäuse, Ratten, Katzen, Hunde, Rinder, Schweine, Pferde und Schafe als Erfindung.

Das EPA hat laut Then hunderte Patente auf Versuchstiere erteilt. Besonderen Protest hatte aber ausgelöst, auch Menschenaffen als Erfindung zu behandeln. »Schimpansen sind unsere nächsten Verwandten, die 98,6 Prozent der Zusammensetzung unseres Erbgutes mit uns teilen«, sagte Goodall, die über Jahre das Leben von Schimpansen in freier Wildbahn beobachtet hat.

Harvard-Krebsmaus erstes patentiertes Tier in Europa

Das weltweit erste Patent auf Leben war im Jahr 1980 in den USA erteilt worden, auf Öl fressende Bakterien. Nach jahrelangem Streit entschied der Supreme Court, es tangiere das Patentrecht nicht, dass die Organismen Lebewesen seien. Als erstes Tier wurde in Europa dann vor fast 30 Jahren die Harvard-Krebsmaus patentiert. Sie erkrankte wegen eines veränderten Gens an Krebs und sollte der Forschung dienen.

Der anfängliche Run auf Patente auf Lebewesen hat sich etwas gelegt – möglicherweise auch wegen hoher Patentgebühren. Außerdem sind die neu hergestellten Lebewesen sehr speziell. Die Krebsmaus etwa hatte nur ein Krebsgen – allein bei Brustkrebs können aber dutzende Gene eine Rolle spielen. Die Bedeutung der Maus für die medizinische Forschung blieb gering. Als das EPA im Juli 2004 das Patent endgültig bestätigte, war der Patentschutz gerade schon erloschen.

Die Gegner sehen den von der Beschwerdekammer gewiesenen Weg nun auch für andere Fälle bindend. Denn noch immer gibt es weitere Tierpatente – auch auf Affen. 2010 war etwa ein Patent auf Affen mit Epilepsie vergeben worden (EP1852505). Testbiotech kämpft laut Then gerade gegen ein Patent der Max-Planck-Gesellschaft, in dem Versuchstiere bis hin zu Primaten beansprucht werden (EP2328918).

Selbst wenn derartige Patente fallen – für Versuchstiere ändert sich zunächst nichts. Denn die genetischen Manipulationen und die Forschung mit diesen Tieren bleiben davon unberührt.

WEITERLESEN MIT »SPEKTRUM +«

Im Abo erhalten Sie exklusiven Zugang zu allen Premiumartikeln von »spektrum.de« sowie »Spektrum - Die Woche« als PDF- und App-Ausgabe. Testen Sie 30 Tage uneingeschränkten Zugang zu »Spektrum+« gratis:

Jetzt testen

(Sie müssen Javascript erlauben, um nach der Anmeldung auf diesen Artikel zugreifen zu können)

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.