Marine Bionik: Patente aus dem Meer
Was haben Algen, Seepocken und Haie gemeinsam? Sie alle leben im Meer. Und sie alle dienen Wissenschaftlern als Fundgrube für die Verbesserung moderner Technik. Der weltweit erste Internationale Studiengang Bionik der Hochschule Bremen hat sich auf die Meereswesen spezialisiert.
Der Pinguin ist ein Erfolgsmodell. Schießt er kopfüber ins Meer, fließt das eiskalte Wasser an seinem schmalen Kopf und dem dicken Leib vorbei, mit minimalem Widerstand. "Der Pinguin hat eine perfekte Spindelform", bestätigt auch die Bionikerin Antonia Kesel von der Hochschule Bremen, "und die Spindel ist hydrodynamisch gesehen die günstigste Form, die ein Objekt haben kann." Die Wissenschaftlerin muss es wissen, leitet sie doch den weltweit ersten und einzigen Studiengang für Bionik in Bremen.
Seit dem Wintersemester 2003/2004 lernen Studierende hier, wie sich die Erfolgsrezepte der Natur auch im Bereich moderner Technik anwenden lassen. "Es geht dabei nicht darum, die Natur zu kopieren, sondern zu lernen, wie physikalische Prinzipien in der Natur eingesetzt werden – und was davon letztendlich potentiell übertragbar ist", erklärt Kesel, die selbst bei dem renommierten Bioniker Werner Nachtigall an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken in die Lehre ging. Kenntnisse der Biologie seien hierfür ebenso bedeutend wie ein fundiertes Verständnis der Ingenieurswissenschaften.
Heute beschäftigen sich etwa dreißig deutsche Universitäten mit Bionik, zusammengeschlossen im Bionik-Kompetenz-Netz Biokom. Zu wenige, wie Antonia Kesel findet: "Bionik ist ein Forschungsfeld der Zukunft." Dieser Ansicht ist anscheinend auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung: Dort wurde kürzlich beschlossen, in den nächsten drei bis fünf Jahren 30 Millionen Euro in die bionische Forschung zu investieren.
Die Bionik-Wissenschaftler in Bremen interessierten sich besonders für den Bewegungsapparat von Meerestieren. "Über Tausende von Generationen haben sich diese Organismen immer wieder auf einen möglichst optimalen Umgang mit den jeweiligen Ressourcen angepasst und Wege gefunden, für ihre jeweilige Fortbewegungsstrategie so wenig Energie zu verbrauchen wie irgend möglich", erklärt Kesel.
Wissenschafter um den Diplom-Ingenieur Dietrich Bechert vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt übertrugen 1991 diese Rillenstruktur auf Folien. Heute werden Flugzeuge damit beklebt. "Noch gibt es jedoch Probleme in der Anwendung", erläutert Antonia Kesel. Denn spätestens alle zwei Jahre müssen Flugzeuge einer genauen Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden. Dafür muss die Folie wieder ab. "Wegen der hohen Temperaturunterschiede am Boden und in der Luft benötigt man aber sehr starke Klebstoffe, wodurch die Entfernung aufwändig und entsprechend teuer wird", sagt sie.
Aber die Haihaut hat noch andere Tricks auf Lager. Denn Seepocken oder Miesmuscheln, die sich ansonsten auf so gut wie jeder Oberfläche in den Meeren ansiedeln, finden auf ihr keinen Halt. Eine beneidenswerte Fähigkeit – die Schiffsrümpfe oder Bohrplattformen leider nicht vorweisen können. Sie werden in kürzester Zeit von den so genannten Foulingorganismen besiedelt. Das sieht nicht nur unschön aus, sondern erhöht auch den Reibungswiderstand. "Seepocken sind richtige Bremsen", sagt Antonia Kesel, "schon ein geringer Bewuchs von nur wenigen Millimetern kann für ein Schiff bedeuten, dass es fünfzig Prozent mehr Sprit verbraucht. Das ist bei einem Containerschiff mit 3000 bis 4000 Containern eine zusätzliche Ausgabe von etwa 35000 Dollar pro Tag."
In den Forschungslabors der Bremer Hochschule hat inzwischen ein anderer Proband das Interesse der Bioniker geweckt: Der Stör. Der wegen seines Kaviars gefährdete Fisch reist bis zu tausend Kilometer, um seinen Laich abzulegen. Da sollte sein Körperbau möglichst wenig Reibungswiderstände produzieren, um die anstrengende Reise nicht unnötig zu erschweren. Dennoch hat der Stör fünf dornenähnliche Knochenplatten auf seinem Körper, die ihn vor Fraßfeinden schützen. "Auf den ersten Blick würde man vermuten, dass die strömungstechnisch eher hinderlich sind", sinniert Antonia Kesel. Doch erste Tests im eigenen Strömungskanal haben das Gegenteil erwiesen. Warum dies so ist, bleibt allerdings noch aufzuklären. Aber womöglich birgt auch der Stör ein Geheimnis, bei dem es sich lohnt, es aus dem Wasser zu fischen.
Seit dem Wintersemester 2003/2004 lernen Studierende hier, wie sich die Erfolgsrezepte der Natur auch im Bereich moderner Technik anwenden lassen. "Es geht dabei nicht darum, die Natur zu kopieren, sondern zu lernen, wie physikalische Prinzipien in der Natur eingesetzt werden – und was davon letztendlich potentiell übertragbar ist", erklärt Kesel, die selbst bei dem renommierten Bioniker Werner Nachtigall an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken in die Lehre ging. Kenntnisse der Biologie seien hierfür ebenso bedeutend wie ein fundiertes Verständnis der Ingenieurswissenschaften.
Die Idee, von der Natur zu lernen, gibt es schon seit Hunderten von Jahren. Berühmt sind etwa die Versuche Leonardo da Vincis, aus dem Flug der Vögel Konzepte für den Bau von Flugmaschinen zu entwickeln. Dennoch ist die Bionik, die sich aus den Begriffen Biologie und Technik zusammensetzt, selbst noch eine relativ junge Wissenschaft. Der Begriff Bionik wurde 1958 in den USA auf einem Kongress in Dayton (Ohio) zum ersten Mal verwandt. In Deutschland gründete der Diplomingenieur Heinrich Hertel 1963 an der Technischen Universität Berlin die Gruppe "Biologie und Technik", die Forschungsrichtung Bionik war aus der Taufe gehoben.
Heute beschäftigen sich etwa dreißig deutsche Universitäten mit Bionik, zusammengeschlossen im Bionik-Kompetenz-Netz Biokom. Zu wenige, wie Antonia Kesel findet: "Bionik ist ein Forschungsfeld der Zukunft." Dieser Ansicht ist anscheinend auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung: Dort wurde kürzlich beschlossen, in den nächsten drei bis fünf Jahren 30 Millionen Euro in die bionische Forschung zu investieren.
Die marine Bionik hat schon jetzt einiges vorzuweisen. So entwickelten Forscher der Northwestern-Universität in Evanston einen Roboter, dessen Sensoren den Tasthaaren von Seehunden nachempfunden sind. Christian Hamm und Ulf Lüdemann vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven analysierten die Aufbaumechanismen der Skelette von antarktischen Kieselalgen – und ließen sich dadurch zu Leichtbaufelgen inspirieren, die trotz ihrer Leichtigkeit besonders stabil sind.
Die Bionik-Wissenschaftler in Bremen interessierten sich besonders für den Bewegungsapparat von Meerestieren. "Über Tausende von Generationen haben sich diese Organismen immer wieder auf einen möglichst optimalen Umgang mit den jeweiligen Ressourcen angepasst und Wege gefunden, für ihre jeweilige Fortbewegungsstrategie so wenig Energie zu verbrauchen wie irgend möglich", erklärt Kesel.
Einen besonders effektiven Kniff hat hierbei der Hai entwickelt. Er, der scheinbar mühelos durch die Meere gleitet, verlässt sich nicht allein auf seine Spindelform, die er mit fast allen schnellen Schwimmern im Tierreich gemein hat. Sein Geheimnis ist seine Haut. Sie ist mit winzigen Schuppen besetzt, deren gezackten Ränder feine Längsrillen bilden, die genau zur Strömung ausgerichtet sind. Dadurch verringert sich der Reibungswiderstand es Wassers, das Schwimmen ist weniger Kräfte zehrend.
Wissenschafter um den Diplom-Ingenieur Dietrich Bechert vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt übertrugen 1991 diese Rillenstruktur auf Folien. Heute werden Flugzeuge damit beklebt. "Noch gibt es jedoch Probleme in der Anwendung", erläutert Antonia Kesel. Denn spätestens alle zwei Jahre müssen Flugzeuge einer genauen Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden. Dafür muss die Folie wieder ab. "Wegen der hohen Temperaturunterschiede am Boden und in der Luft benötigt man aber sehr starke Klebstoffe, wodurch die Entfernung aufwändig und entsprechend teuer wird", sagt sie.
Die finanziellen Vorteile, welche die Betreiber durch die energiesparenden Folien gewännen, gingen ihnen durch den längeren Ausfall ihrer Maschinen so wieder verloren. "Hier muss nach anderen Lösungen gesucht werden", sagt die Bionikerin. Möglicherweise könne man die Mikrostrukturen in Lackfarben integrieren und so die Folien vollends vermeiden.
Aber die Haihaut hat noch andere Tricks auf Lager. Denn Seepocken oder Miesmuscheln, die sich ansonsten auf so gut wie jeder Oberfläche in den Meeren ansiedeln, finden auf ihr keinen Halt. Eine beneidenswerte Fähigkeit – die Schiffsrümpfe oder Bohrplattformen leider nicht vorweisen können. Sie werden in kürzester Zeit von den so genannten Foulingorganismen besiedelt. Das sieht nicht nur unschön aus, sondern erhöht auch den Reibungswiderstand. "Seepocken sind richtige Bremsen", sagt Antonia Kesel, "schon ein geringer Bewuchs von nur wenigen Millimetern kann für ein Schiff bedeuten, dass es fünfzig Prozent mehr Sprit verbraucht. Das ist bei einem Containerschiff mit 3000 bis 4000 Containern eine zusätzliche Ausgabe von etwa 35000 Dollar pro Tag."
Früher rückte man den Muscheln und Pocken schlicht mit Giften zuleibe – in Form von Lacken auf Tributylzinn-Basis. Doch die Gifte wanderten ins Meer, seit 2003 ist die Farbe verboten. "Heute verwendet man daher kupferbasierte Anstriche. Die sind allerdings nicht so wirksam, was dazu führt, dass die Reedereien größere Mengen benutzen", kritisiert Kesel. Seit Jahren wird an neuen Methoden geforscht. Die Bremer Bioniker hoffen mit der Haihaut eine funktionsfähige und umweltfreundliche Alternative gefunden zu haben. Die Idee ist bereits patentiert, erste Folien für Schiffsrümpfe im Test. Auch die Wirtschaft zeigte auf regionalen Treffen schon Interesse. "Wir hoffen, in zwei Jahren auf den Markt gehen zu können", sagt die Bionikerin zufrieden.
In den Forschungslabors der Bremer Hochschule hat inzwischen ein anderer Proband das Interesse der Bioniker geweckt: Der Stör. Der wegen seines Kaviars gefährdete Fisch reist bis zu tausend Kilometer, um seinen Laich abzulegen. Da sollte sein Körperbau möglichst wenig Reibungswiderstände produzieren, um die anstrengende Reise nicht unnötig zu erschweren. Dennoch hat der Stör fünf dornenähnliche Knochenplatten auf seinem Körper, die ihn vor Fraßfeinden schützen. "Auf den ersten Blick würde man vermuten, dass die strömungstechnisch eher hinderlich sind", sinniert Antonia Kesel. Doch erste Tests im eigenen Strömungskanal haben das Gegenteil erwiesen. Warum dies so ist, bleibt allerdings noch aufzuklären. Aber womöglich birgt auch der Stör ein Geheimnis, bei dem es sich lohnt, es aus dem Wasser zu fischen.
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