Orogenese: Per Expresszug in luftige Höhen
Von den schroffen Zinnen der patagonischen Torres del Paine bis zu den majestätischen Achttausendern des Himalajas bewundern und verehren gar viele Menschen die Berge der Welt. Doch wer nun glaubt, es brauche immer Äonen, bis sich Felsgiganten in die höchsten Höhen auffalten, der könnte sich täuschen.
Luis Trenker, der unvergessene Bergfex und Filmemacher aus Südtirol, gab späteren Orophilen eine Weisheit mit auf den Weg: "Du sollst die Berge nicht durch Rekordsucht entweihen, du sollst ihre Seele suchen!" So ähnlich handhaben es heute auch viele Wissenschaftler, die dem geologischen Kern der Gebirge und dessen Geschichte nachspüren. Dann und wann stöbern sie allerdings – zumindest auf regionaler Ebene – dennoch erstaunliche Rekorde auf, wie es nun Wissenschaftlern um Carmala Garzione von der Universität Rochester auf zweierlei Weise gelungen ist.
Da sofort die Erosion einsetzt, sobald ein Gipfel sein Haupt erhebt, ist es schwierig, seine exakte Höhe und damit die Geschwindigkeit seines Wachstums zu einem bestimmten Zeitpunkt zu ermitteln. Deshalb untersuchten die Forscher Fossilien von Blättern, um herauszufinden, in welcher die Höhe die Pflanzen einst jeweils lebten und wie rasch sie dann angehoben wurden. Oder sie versuchten, die Verwitterungsgeschwindigkeit von Mineralien zu bestimmen, die durch die Erosion frei gelegt wurden: Auch auf diese Weise ist eine grobe Altersschätzung möglich.
In ihrem Fall entnahmen die Forscher Karbonate aus Sedimenten des Altiplano – jener ausgedehnten Hochebene in den bolivianischen und peruanischen Anden –, die dort vor fünf bis zwölf Millionen Jahren abgelagert wurden. Da die Kalkverbindungen bei der Verdunstung von Wasser ausgefällt werden, sollte ihre Zusammensetzung nach Ansicht der Wissenschaftler die Herkunft des Regenwassers verraten, das sie einst zuvor gelöst und abtransportiert hatte. Denn die Isotopenmischung der Niederschläge wandelt sich mit der Höhe, in der sie zunehmend an dem Sauerstoff-Isotop 18O verarmen, was sich dann auch in den entstehenden Kalkmineralen bemerkbar macht. Das jeweilige Ausmaß der Verarmung gibt damit indirekt die maximale Höhe der Berge zu einem bestimmten Zeitpunkt an [1].
Auf Grund der Höhe der Anden ging die Forschung bislang davon aus, dass es viele Millionen Jahre dauert, bis durch Vulkanismus, Verfaltungen und Hebungen von unterseeischen Sedimentpaketen ein kompletter Gebirgsstock aufragt und herausmodelliert wird. Um die Dauer dieser akuten Orogenese abzuschätzen, bedienten sich die Geologen bislang immer der so genannten Paläoaltimetrie, mit der sie versuchen, die Höhe eines Berges in der entfernten Vergangenheit abzuschätzen.
Da sofort die Erosion einsetzt, sobald ein Gipfel sein Haupt erhebt, ist es schwierig, seine exakte Höhe und damit die Geschwindigkeit seines Wachstums zu einem bestimmten Zeitpunkt zu ermitteln. Deshalb untersuchten die Forscher Fossilien von Blättern, um herauszufinden, in welcher die Höhe die Pflanzen einst jeweils lebten und wie rasch sie dann angehoben wurden. Oder sie versuchten, die Verwitterungsgeschwindigkeit von Mineralien zu bestimmen, die durch die Erosion frei gelegt wurden: Auch auf diese Weise ist eine grobe Altersschätzung möglich.
Beide Methoden sind allerdings stark mit Fehlern behaftet, denn sowohl Pflanzen als auch Erosionsraten können sich über die Jahrmillionen hinweg markant verändern und sind klimatischen Schwankungen unterworfen. Carmala Garzione und ihre Kollegen konzentrierten sich daher nicht auf die Erosion selbst, sondern auf die Sedimente, die sie erzeugt und am Fuße des Berges ablagert. In den dort zu findenden Mineralien sind auch die klimatischen Bedingungen der Vergangenheit wie Temperatur und Niederschlag eingefangen – etwa im Verhältnis unterschiedlicher Isotopenverhältnisse.
In ihrem Fall entnahmen die Forscher Karbonate aus Sedimenten des Altiplano – jener ausgedehnten Hochebene in den bolivianischen und peruanischen Anden –, die dort vor fünf bis zwölf Millionen Jahren abgelagert wurden. Da die Kalkverbindungen bei der Verdunstung von Wasser ausgefällt werden, sollte ihre Zusammensetzung nach Ansicht der Wissenschaftler die Herkunft des Regenwassers verraten, das sie einst zuvor gelöst und abtransportiert hatte. Denn die Isotopenmischung der Niederschläge wandelt sich mit der Höhe, in der sie zunehmend an dem Sauerstoff-Isotop 18O verarmen, was sich dann auch in den entstehenden Kalkmineralen bemerkbar macht. Das jeweilige Ausmaß der Verarmung gibt damit indirekt die maximale Höhe der Berge zu einem bestimmten Zeitpunkt an [1].
Die zweite neu entwickelte Methode widmete sich dagegen den Temperaturverhältnissen, unter denen die Karbonate ausgefällt wurden, und deren Auswirkung auf die mengenmäßige Verteilung von Verbindungen aus 18O mit dem Kohlenstoff-Isotop 13C. Die Verknüpfung dieser beiden schweren Isotope ist stärker als die ihrer leichteren Vettern, deshalb brechen sie erst bei höheren Temperaturen und reichern sich dementsprechend unter kühleren Klimaten wie im Hochgebirge relativ an, während sie im heißen Amazonasbecken zu Füßen der Anden unterrepräsentiert sind [2].
Mit beiden Techniken berechnete Garziones Team, dass die Anden im Bereich des Altiplano vor sieben bis zehn Millionen Jahren mit einem Millimeter pro Jahr regelrecht in die Höhe geschossen sein mussten – von einem auf vier Kilometer über dem Meer. Diese Daten untermauern eine Theorie von Geologen, die sie als "Entklumpung" (Deblobbing) bezeichnen. Kollidieren demnach zwei Platten – im Falle der Anden schiebt sich die Südamerikanische über die Nazca-Platte aus ozeanischer, schwerer Kruste –, so krümmt sich die leichtere Kontinentalkruste an der Oberfläche und wirft einen ersten Gebirgszug im Jugendstadium auf. Gleichzeitig bildet sich auch im zäh viskosen oberen Mantel eine Art Buckel, der allerdings Richtung Erdinneres ragt und parallel zur fortschreitenden Aufwölbung an der Oberfläche mitwächst. Diese Wurzel wirkt dabei beständig wie ein Senkblei, das dem Aufwärtstrend des Gebirgsstocks entgegenwirkt und ihn bremst.
Ihr eigenes Gewicht zieht allerdings diese Blase im Mantel nach unten, bis sie sich komplett von ihrem Gegenpart in der Erdkruste löst. Der Last entledigt, schnellt der betroffene Bereich nun regelrecht nach oben und hebt dabei das darüber liegende Felsmassiv mit an: Das Gebirge steigt nach geologischen Maßstäben rapide in die Höhe, bis sich in der Tiefe ein neuerlicher Gegenanker ausbildet und sich die Himmelsstürmereien wieder verlangsamen. Es geht allerdings auch noch schneller: Die durch den Zusammenstoß zweier Kontinentalplatten ausgelöste Bildung der Alpen erreichte Spitzengeschwindigkeiten von bis zu fünf Millimeter pro Jahr.
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