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Perfektionismus: Studierende stehen zunehmend unter Druck

Hohe Erwartungen der Eltern an ihre Kinder gehen an diesen nicht spurlos vorbei: Seit Ende der 1980er Jahre berichten Studierende über einen zunehmenden Erfolgsdruck. Forscher sehen darin eine Ursache für wachsenden Perfektionismus.
Student lernt spätabends in der Bibliothek

Perfektionismus im Studium hängt zusammen mit harscher Kritik und hohen Erwartungen seitens der Eltern. Das schließen die Psychologen Thomas Curran von der London School of Economics und Andrew Hill von der York St John University aus Daten von mehr als 20 000 amerikanischen, kanadischen und britischen Studierenden: »Der Druck, perfekt zu sein, war noch nie so groß.«

Die Ursachen für wachsenden Perfektionismus bei Jüngeren sehen die britischen Psychologen in der Erziehung, wie sie im »Psychological Bulletin« darlegen. Sie zeigen anhand einer Metaanalyse mit Daten von mehr als 7000 Studierenden: Hohe Erwartungen und harsche Kritik seitens der Eltern hängen zusammen mit drei Arten von Perfektionismus – hohen Ansprüchen an sich selbst und an andere und dem Bestreben, den hohen Ansprüchen von außen zu genügen.

Aus diesem Zusammenhang könne man zwar noch nicht auf eine Ursache-Wirkungs-Beziehung schließen, doch Thomas Curran sieht einen möglichen Mechanismus: »Junge Menschen verinnerlichen hohe Erwartungen der Eltern«, erklärt er. Und diese Erwartungen wollten sie nicht enttäuschen. Das gehe zu Lasten der psychischen Gesundheit: »Perfektionismus trägt zu vielen psychischen Erkrankungen bei, darunter Depressionen, Angstzustände, Selbstverletzungen und Essstörungen.«

Ergebnisse einer zweiten Metaanalyse mit rund 24 000 Studierenden lassen vermuten, dass sich die Situation noch verschärfen könnte. Zwischen 1989 und 2021 berichteten sie zunehmend über Druck und Kritik seitens der Eltern, vor allem aber über höhere Erwartungen: Diese stiegen im Mittel um 40 Prozent. Es sei normal, dass Eltern um ihre Kinder besorgt sind. »Aber zunehmend wird diese Besorgnis als Druck empfunden, perfekt zu sein«, sagt Curran.

Er und sein Kollege sehen die Ursachen in gesellschaftlichen Trends wie steigendem Erfolgsdruck und Individualismus. Das würde Eltern veranlassen, sich in der Erziehung übermäßig zu engagieren und kontrollierend zu verhalten. Curran sieht die Schuld aber weniger bei den Eltern als vielmehr bei den sozialen Medien, die unrealistische Ideale verbreiteten. »Die Eltern stellen überzogene Erwartungen an ihre Kinder, weil sie zu Recht glauben, dass die Gesellschaft dies verlangt«, sagt er. Sie könnten ihren Kindern jedoch helfen, damit gesund umzugehen. Zum Beispiel, indem sie ihnen helfen, ein Selbstwertgefühl zu entwickeln, das nicht von externen Maßstäben oder der Bestätigung durch andere abhängt.

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