News: Petra - zuviel Interesse schadet der Umwelt
Archäologen benutzen diese Aufnahmen, um die geographischen Faktoren genauer zu studieren, welche ein größeres Gebiet beeinflußt haben. Das Bild zeigt die Region rund um Petra, Jordanien, die heute zu den bedeutungsvollsten archäologischen Stätten der Welt gehört. Zu sehen ist die Umgebung, in der die alten Kulturen aufblühen konnten, und moderne Entwicklungen, die sie bedroht haben – und es auch heute noch tun: Zu erkennen ist die Stadt Wadi Musa, südöstlich von Petra, wo in den 30er Jahren das erste Hotel errichtet wurde. Seitdem wächst diese Stadt wie ein Geschwür. Die Touristen kommen in Scharen zu Jordaniens beliebtester und bekanntester Sehenswürdigkeit angereist. Nun beanspruchen Hotels, Restaurants, Personalunterkünfte sowie eigens eingeführte Vegetation dort viel Raum und bedrohen die archäologischen Stätten und deren noch nicht geborgene Schätze.
Ferner erscheinen auf der Aufnahme die Limestone highlands, die früher einmal bewaldet waren, dann aber abgeholzt wurden, und ein Teil des Wadi al-Araba, der sich vom Golf von Akaba bis zum Toten Meer erstreckt und eine geographische Erweiterung des Great Rift Valley in Ostafrika ist. Petra liegt ungefähr in der Mitte dieser Strecke. Wadi al-Araba und der Jordan markieren die Grenze zwischen den heutigen Staaten Jordanien und Israel. Wie eine Zunge schiebt sich eine Canyon-artig zerfurchte Sandsteinsteppe ins Bild, wobei die blauen Bänder, die diese Zunge umschließen, Wadis und Wasserquellen sind. Wadis sind trockene Flußbetten; sie entstehen durch periodisch auftretende flutartige Regenfälle, die dann in den Fels ihren Wasserlauf eingraben. Die Wadis gliedern das Bergland in geographisch-historische Regionen, an deren Quellen sich Menschen ansiedelten (zum Beispiel an der berühmten Moses-Quelle, direkt in Wadi Musa).
10 000 Jahre lang war diese Region Schauplatz einiger der wichtigsten kulturellen Entwicklungen in der Geschichte der Menschheit. Moslems, Juden und Christen betrachten sie als ihre religiöse Heimat, und viele Ereignisse der alten Zeit sind in heiligen Geschichten überliefert. Im Buch Genesis wird von den Anfängen des Ackerbaus, der Viehzucht und des seßhaften Lebens in der Jungsteinzeit erzählt: "Abel wurde Schafhirt und Kain Ackerbauer" (Gen 4,2), und man fand in dieser Region eine der ältesten vorkeramischen Ackerbausiedlungen der Welt, in Beidha, nördlich von Petra. Wegen der Wasserquellen zogen auch andere Stämme in dieses Gebiet und brachten im fünften Jahrtausend v. Chr. die Kunst der Metallverarbeitung mit. In früher Zeit hießen die Bewohner dieser Gegend Edomiter. An ihr Gebiet grenzten im Norden die Reiche Moab und Ammon.
Im sechsten Jahrhundert vor Christus siedelte sich ein arabischer Nomadenstamm an, der schon bald durch sein Handelsgeschick auffiel und sich aus kriegerischen Auseinandersetzungen herauszuhalten wußte: die Nabatäer. Sie waren hervorragende Baumeister und berühmt für ihre Bewässerungstechniken, die den wasserknappen Gebieten fruchtbaren Boden schenkten. Auch heute noch verwenden die Beduinen die nabatäische Technik der terrassierten Wadis. Dieses System nutzt optimal den Regen aus, der vom harten Boden nicht aufgesogen werden kann und als Sturzbach die Berghänge herunterschießt. Die Terrassen bilden Staubecken für das Wasser, das dann Stufe für Stufe abfließt, und so das Tal bewässert. Nur die Nabatäer kannten und bewachten die Wasserstellen entlang der frequentierten Karawanenrouten, bauten Raststellen und Futterplätze, boten Schutz vor Überfällen – und kassierten dafür Steuern. So kontrollierten sie für mehrere hundert Jahre den gesamten Gewürz- und Weihrauchhandel der arabischen Welt.
Das Harz des Weihrauchbaumes, das im Oman und in Somalia gewonnen wurde, war das beliebteste und teuerste Luxusgut seiner Zeit. Es wurde nicht nur in Tempeln zum Ruhme der Götter verbrannt, sondern auch in vornehmen ägyptischen, später auch griechischen und römischen Häusern. Die Nabatäer pflegten Handelsverbindungen von Ostasien bis nach Europa, ihr Reich erstreckte sich in seiner Blütezeit von der Sinai-Halbinsel bis nach Damaskus, vom Mittelmeer bis nach Jemen – und das Zentrum, die Königin der Karawanenstädte, war Petra.
Petra war nur schwer – durch eine lange enge Felsenauswaschung, den Siq – von außen zugänglich, und daher leicht zu verteidigen. Die Stadt wurde aus dem für diese Gegend typischen rosa Sandstein erbaut und war durch die Kunst der Wasserbauingenieure reich mit Wasser versorgt. T. E. Lawrence, besser bekannt als Lawrence von Arabien, beschrieb Petra als "den herrlichsten Ort der Welt. Nicht wegen seiner Ruinen, sondern wegen der Farbe seiner Felsen, die ganz rot und schwarz sind, und wegen seiner wundervollen Schlucht, in der das Quellwasser dahinschießt und die gerade breit genug ist für ein Kamel und mehrere Kilometer lang." Petra begeistert auch heute noch jeden Besucher, und 1985 erklärte die UnescoPetra zum Weltkulturerbe. Manche beschreiben den Weg durch den Siq, der sich dann zu einem imposanten Bauwerk hin öffnet, als eine dramaturgische Inszenierung.
Petra ist das griechische Wort für Fels, und die Stadt macht ihrem Namen alle Ehre: Sie scheint aus dem Felsen herausgewachsen zu sein. Sie verdient es, in mehreren Tagen entdeckt zu werden, denn außer dem berühmten "Schatzhaus des Pharao" (Khazne al-Fir'un), das auch schon als Kulisse für einen Indiana-Jones-Film herhalten mußte, gibt es auf dem großen Areal verstreut noch 800 weitere Denkmäler zu besichtigen. Die Nabatäer hatten erst spät das Bedürfnis, Grabanlagen oder Heiligtümer zu bauen und schauten sich daher bei anderen Kulturen ab, was ihnen gefiel. Sie bauten einen Architekturformem-Mix, von ägyptisch über hellenistisch, mesopotamisch bis römisch. Manche nennen daher den Baustil Petras salopp "griechisch-römischen Freistil" oder "arabischen Barock".
Über 600 Jahre blühte der Karawanenstaat: in den ersten Jahrhunderten noch als ein Scheichtum und seit dem ersten Jahrhundert vor Christus als Königreich. Auch nach der Gründung der Provincia Arabia Petraea durch die Römer im ersten Jahrhundert nach Christus, konnten die Nabatäer sich mit Diplomatie weiterhin ihr Handelsmonopol sichern. Petra wurde sogar nach seiner Christianisierung für zweieinhalb Jahrhunderte Bischofssitz. Erst als im dritten Jahrhundert das weit nordöstlich gelegene Palmyra (im heutigen Syrien) der neue Hauptumschlagsplatz für Gewürze und Orientwaren wurde, war Petras Untergang besiegelt und ihr Verfall begann. Im sechsten Jahrhundert war sie nicht mehr bewohnt. Einige Jahrhunderte später errichteten Kreuzritter auf den Berggipfeln ihre Befestigungsanlagen, und danach geriet die "rosarote Stadt" in Vergessenheit.
Wiederentdeckt wurde Petra aber nicht von der Luft aus, sondern zu Fuß im Jahre 1812. Der Schweizer Johann Ludwig Burckhardt sollte für die englische Regierung Handelsrouten am Niger auskundschaften. Zur Vorbereitung seiner Expedition lebte er mehrere Jahre in Damaskus, lernte arabisch, kleidete sich wie ein Beduine und nannte sich Scheich Ibrahim. Auf dem Weg von Damaskus nach Kairo, dem geplanten Ausgangspunkt seiner Niger-Expedition, die leider nie stattfinden sollte, hörte er von Einheimischen von einer sagenumwobenen Stadt in den Bergen. Er machte sich unter dem Vorwand, ein Schlachtopfer am Grab des Aaron bringen zu wollen, auf den Weg dorthin. Woher er die Eingebung hatte, daß das Grab in der Nähe der Stadt lag, bleibt ein Rätsel. Aber er wußte durch diesen religiösen Schachzug die mißtrauischen Beduinen vor Ort zu überzeugen, daß er kein Magier war, der nur die Reichtümer der Felsenstadt rauben wollte.
Als er dann tatsächlich die Ruinen für einen Augenblick von einem nahegelegenen Berggipfel erhaschen konnte, notierte er in sein Tagebuch "Es ist möglich, daß die Ruinen des Wadi Musa die des antiken Petra sind." Leider konnte er weder genauere Zeichnungen anfertigen noch länger als zwei Tage bleiben, sonst hätte er sich als Spion verdächtig gemacht und den Tod riskiert. Burckhardt hatte somit als erster Europäer seit den Tagen der Kreuzritter, seit 600 Jahren also, die Stadt Petra wiedergesehen, die eine so ruhmreiche Geschichte erlebt hatte. Dafür wohnen heute Petra-Forschende aus aller Welt im Johann Ludwig Burckhardt Archeological Center, jenem ersten Hotel, das damals in den 30er Jahren gebaut worden war.
Siehe auch
- Spektrum der Wissenschaft 10/98, Seite 115, Rezension
"Petra. Antike Felsstadt zwischen arabischer Tradition und griechischer Norm."
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