Fressgewohnheiten: Pferd, Kuh und Trampeltier kauen merkwürdig ähnlich
Aufmerksame Beobachter fressender Säugetiere haben längst erkannt, dass Fressen und Wiederkäuen nicht dasselbe sind: Der Kauapparat von Kühen und Schafen, Ziegen und Hirschen, Kamelen und andere Wiederkäuer arbeitet deutlich langsamer und rhythmischer, wenn sie die grob vorverdaute und dann regurgitierte Nahrung noch einmal im Maul nachverarbeiten. Dies hat gute Gründe: Die Nahrung wird so offensichtlich deutlich einheitlicher zerkleinert, was die Verdauung unproblematischer macht. Allerdings hat das Prinzip auch der Nichtwiederkäuer Pferd verinnerlicht, berichten nun Forscher der ETH Zürich im "Journal of Experimental Zoology", nachdem sie sich kauender Tiere im Detailvergleich angesehen haben.
Die Forscher hatten dazu je sechs Exemplare von Pferd, Rindvieh und Trampeltier mit Kaubewegungssensoren ausgestattet und eigentlich erwartet, den üblichen Unterschied von "Fresskauen" und Wiederkäuen bestätigt zu bekommen. Tatsächlich gelang das dem zu solchen Zwecken eingesetzten Auswertungsalgorithmus RumiWatch bei Trampeltier und Kuh recht gut. Wiederkäuen ist, anders als Fresskauen, an den viel einheitlicheren Kauparametern leicht zu identifizieren – ebenso übrigens wie die Tierart, die da kaut (Trampeltiere kennzeichnet etwa eine regelmäßige Denkpause beim Wiederkäuen). Beim Pferd allerdings erwartete die Forscher ein Überraschung: Sie zeigten gar kein Fresskauen wie erwartet, sondern eher typisches Wiederkäuerkäuen, obwohl sie ja nicht zu den Wiederkäuern zählen.
Die Forscher spekulieren nun über den Hintergrund ihrer Beobachtung. Evolutionsbiologen hatten schon lange vermutet, dass Wiederkäuer ihre besondere Strategie – die mehrfach in nicht eng verwandten Zweigen der Säugetiere unabhängig entstanden ist – entwickelt haben, um die Gefährdung durch Raubfeinde zu mindern. Sie können in relativ kurzer Zeit große Mengen der schwer verdaulichen Pflanzennahrung aufnehmen und sie erst danach, in sicherer Deckung, zermahlen. Diese gründliche Zerkleinerung gilt allerdings als wichtig, um die Pflanzen effizient verwerten zu können. So gesehen verwundert es nicht, dass auch Pferde ihre Nahrung gut kauen – vielleicht sind sie aber bessere Fluchttiere und mussten die Räubervermeidung nicht zusätzlich durch Wiederkäuen perfektionieren?
Die eidgenössischen Forscher spekulieren zudem, dass eher das hastiges Fressvorkauen der Wiederkäuer im Zuge ihrer Evolution entstand: Es könnte nicht nur Zeit sparen, sondern auch die Zähne schützen, so die Forscher. Denn die Abnutzung des Kauapparats ist deutlich geringer, wenn der Nahrungsbrei schon einmal im Magen angefeuchtet und Schmutz und Staubkörner zumindest teilweise herausgewaschen wurden. Auf diesen Vorteil des Wiederkäuens müssten die Pferde demnach verzichten.
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