Direkt zum Inhalt

News: Pferde auf Stolperkurs

Spektakuläre Stürze sind garantiert beim Grand National, dem populärsten Pferde-Hindernisrennen Großbritanniens - selbst der Tod so manchen Tieres wird dabei riskiert. Mathematische Modelle spüren die Hauptstolpersteine der Teilnehmer auf.
Grand National klein
Bald laufen und springen sie wieder – und stürzen zuhauf: Nur ein Bruchteil der startenden Teilnehmer erreicht beim Grand National Pferde-Hindernisrennen in Liverpool das Ziel. Diese extrem harte Herausforderung für Pferd und Reiter wird dieses Jahr am 3. April wieder 60 000 Zuschauer in ihren Bann ziehen, ganz zu schweigen von den 600 Millionen Pferdefans, die weltweit das Spektakel am heimischen Fernseher verfolgen. Denn beim Grand National ist alles geboten, was der sensationshungrige Zuschauer wünscht: trommelnde Hufe wild galoppierender Pferde, hohe Sprünge aus vollem Lauf, aber auch in hohem Bogen abgeworfene Jockeys, spektakuläre Stürze und Tumulte aus übereinander fallenden Pferden.

30 Sprünge müssen Ross und Reiter auf der 7,2 Kilometer langen Rennstrecke hinter sich bringen. Doch stehen dort nicht einfach Hindernisse, sondern solche, die es in sich haben: Schlichte Hecken und ein Wassergraben sind noch die harmlosen Versionen. Befindet sich jedoch ein Graben vor der Hecke, verschätzt sich das Tier leicht und landet irgendwo, nur nicht hinter dem Hindernis, und das auch nicht unbedingt auf seinen Hufen. Liegt der Graben hinter dem Sprung, bemerkt das Tier die Tücke des Objekts erst im Flug – Stürze sind daher vorprogrammiert. Ein harte Prüfung ist auch der "Canal Turn": Direkt hinter der einfachen Hecke biegt die Rennstrecke um 90 Grad ab. Acht Pferde scheiterten allein an diesem Problem beim Skandalrennen von 2001, bei dem im strömendem Regen lediglich vier der vierzig Gestarteten die Ziellinie überquerten.

Was das Ereignis für Zuschauer außerordentlich spannend macht – vor allem, wenn sie auf Pferde wetten, schließlich ist vollkommen offen, ob der Favorit überhaupt ins Ziel gelangt –, ruft Tierschützer auf den Plan. Denn Verletzungen bleiben bei den Stürzen nicht aus, und etliche Pferde ließen beim Grand National sogar ihr Leben. Zwar ist der Parcours inzwischen etwas entschärft, da manche Hindernisse modifiziert, Notausgänge für reiterlose Tiere geschaffen und die Teilnehmerzahl auf vierzig begrenzt wurde; doch auch letztes Jahr mussten zwei Pferde eingeschläfert werden.

Welche Faktoren bringen also die Pferde zum Straucheln und entscheiden letztendlich über den Ausgang des Rennens? Cristopher Proudman und seine Kollegen von der University of Liverpool rückten dem Grand National mit mathematischen Methoden zu Leibe und analysierten die letzten 15 Rennen. Und dabei fanden sie vielerlei Stolpersteine für die Tiere.

So ist die erste große Hürde das erste Hindernis, obwohl es sich dabei nur um eine einfache Hecke handelt. Doch daran scheiden unverhältnismäßig viele Reiter aus: Fast siebenmal mehr Pferde gehen hier zu Boden als an anderen Sprüngen. Diese Beobachtung ist für einschlägige Kreise allerdings nichts Neues, denn es kann auch darauf gewettet werden, dass am ersten Hindernis kein Pferd stürzt. Im weiteren Verlauf nimmt die Wahrscheinlichkeit, das Ziel nicht zu erreichen, an jedem Hindernis etwa gleich stark ab; und das, obwohl sie noch so manche Tücke bereit halten.

Entscheidend ist auch die Beschaffenheit des Bodens. Auf zu weichem oder schwerem Boden erreichen deutlich weniger Teilnehmer das Ziel als auf allen anderen Bodenverhältnissen. Nach den Modellen der Wissenschaftler überstehen auf einem solch schwierigen Untergrund nur 18 Prozent des Startfeldes den Wettkampf. Die wenigsten Stürze gibt es dagegen auf einer als gut bis weich eingestuften Rennstrecke.

Wer sein Geld auf ein Pferd setzten möchte, sollte eines mit Erfahrung wählen. Tiere, die den Parcours noch nicht kennen, haben ein doppelt so hohes Risiko, das Ziel nicht zu erreichen, im Vergleich zu denjenigen die bereits einen – möglichst sturzfreien – Grand National bestritten haben – und das unabhängig vom Alter des Pferdes. Neulinge stürzen zweieinhalb mal öfter und werfen ihren Jockey häufiger ab als alte Hasen. Stürze und Abwürfe sind auch die häufigste Ursache für Verletzungen.

Schließlich zeigen die Analysen der Forscher, dass sich auch die Anzahl der Teilnehmer auf den Ausgang der Veranstaltung auswirkt. Dieses Ergebnis erscheint logisch, schließlich bringen immer wieder reiterlose Tiere Nachfolgende zu Fall.

Um das Rennen für Ross und Reiter sicherer zu machen, empfehlen die Wissenschaftler, das Training solle an Hindernissen stattfinden, die denen im Grand National vergleichbar sind, oder es müssten Qualifizierungsrennen auf dieser Bahn stattfinden. Das Sturzrisiko der Pferde könne durch einen guten bis weichen Untergrund minimiert werden. Wichtig für den Schutz der Teilnehmer sei auch eine Modifikation des ersten Hindernisses, um die extrem hohe Ausfallquote bei diesem Sprung zu reduzieren.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.