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News: Pflanzlicher Langstreckentransport

Pflanzen haben ausgeklügelte interne Kommunikationsmechanismen entwickelt, mit deren Hilfe sie das Wachstum von Zellen, Geweben und Organen koordinieren. Chemische Substanzen dienen ihnen als Botenstoffe, um wichtige Signale zu übermitteln. Zu diesen Transportmolekülen zählen offenbar auch Ribonucleinsäuren, die sogar weite Entfernungen zwischen Stängel und Spross zurücklegen können: So veranlassten sie die Triebe gepfropfter Tomatenpflanzen, nicht spitze, sondern abgerundete Blätter zu produzieren.
Da Pflanzen nicht über ein Nervensystem verfügen, kann die Abstimmung zwischen den einzelnen Teilen des Organismus nur auf chemischem Wege vonstatten gehen. Zu diesem Zweck sind molekulare Botenstoffe rund um die Uhr im Einsatz, um die lebenswichtigen Instruktionen zu überbringen. Ihren Weg zum Zielort bahnen sie sich entlang kleiner Kanäle zwischen benachbarten Zellen, den Plasmodesmen, und entleeren sich schließlich in das so genannte Phloem – ein Gefäßsystem, das den Langstreckentransport von organischen Verbindungen bewerkstelligt.

Bislang galten die in geringen Konzentrationen wirksamen Pflanzenhormone als Vermittler essenzieller Informationen. Doch seit Wissenschaftler im Phloem ebenfalls Boten-RNA-Moleküle (mRNA) entdeckten, die als eine Art "Blaupause" die genetische Information der im Zellkern verborgenen DNA zu den Proteinfabriken transportieren, rätseln sie, inwieweit auch jene DNA-Kopien interne Anweisungen zu überbringen vermögen.

Um die mysteriöse Rolle der mRNA-Moleküle bei der Signalweiterleitung näher zu beleuchten, führten Neelima Sinha und ihre Kollegen von der University of California in Davis nun Versuche mit Tomatenpflanzen durch. Dazu verwendeten sie junge Triebe von Pflanzen mit gewöhnlich zugespitzten Blättern, welche sie auf Stängel mit mutierten runden Blättern pfropften.

Wie sich herausstellte, änderten die umgesetzten Zweige kurzerhand ihr genetisch vorbestimmtes Programm: Statt der zu erwartenden spitzen Pflanzenblätter brachten sie nunmehr runde Anhängsel hervor. In den keimenden Trieben wiesen die Forscher zudem gehäuft jene mutierte Version des Proteins nach, welches sich für das "runde" Blattmuster verantwortlich zeichnet. Folglich muss die entsprechende genetische Information irgendwie in die Spitzen gelangt sein. An dieser Überführung sind höchstwahrscheinlich mRNA-Moleküle beteiligt, die offensichtlich die Instruktion für die "normale" Blattgestalt einfach außer Kraft gesetzt haben.

Zusammen mit Phytohormonen, Stoffwechselprodukten und Eiweißstoffen könnte die RNA-Beförderung Pflanzen befähigen, ihr Wachstum zu koordinieren. "Möglicherweise", so spekuliert Sinha, "haben Pflanzen ein RNA-Transportsystem entwickelt, um zu kommunizieren." Obwohl David Jackson vom Cold Spring Harbor Laboratory einen ähnlichen Fernstreckentransport auch bei anderen DNA-Kopien für wahrscheinlich hält, bleibt dies jedoch noch nachzuweisen.

Basierend auf den vorliegenden Ergebnissen erhoffen sich Forscher nun neue Erkenntnisse zur Bekämpfung von Schädlingen, die zu ihrer Ausbreitung das pflanzliche Transportsystem ausnutzen. Sobald ein Blatt infiziert ist, geht der ganze Organismus oftmals zur Verteidigung über. Wenn es gelänge, die von befallenen Pflanzen ausgesandten Botschaften zu entschlüsseln, ließe sich der Ausbruch von Krankheiten vielleicht verhindern. Auch für die Vermehrung von Obst- und Nußbäumen könnten die neuen Einsichten in die Pflanzenkommunikation hilfreich sein: Nicht verträgliche RNA-Signale könnten eine Erklärung dafür liefern, warum einige Pflanzenpfropfungen nicht angehen.

  • Quellen
Nature Science Update
Science 293: 287–289 (2001)

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