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Mikrobiologie: Phage kapert bakterielle Abwehr

Auch Bakterien besitzen ein Immunsystem. Doch manche ihrer Feinde legen den Schutzmechanismus lahm, indem sie ihn kopieren und den Spieß umdrehen.
Bakteriophagen

Mikroorganismen infizieren sich mitunter gegenseitig, etwa Bakteriophagen, kurz Phagen genannt: diese Viren infizieren Bakterien, um sich darin zu reproduzieren. Gegen solche Angriffe haben Bakterien eine Art Immunsystem entwickelt. Doch manche Phagen besitzen wiederum Mittel und Wege, die Abwehr der Bakterien zu überlisten. Ein besonders raffiniertes Beispiel stellt jetzt die Gruppe von Andrew Camilli vom Howard Hughes Medical Institute an der Bostoner Tufts University vor: Der Phage ICP1 besitzt eine Kopie dieses Immunsystems und schlägt das Cholerabakterium (Vibrio cholerae) mit seinen eigenen Waffen.

Phagen schleusen ihr Erbgut in Bakterien ein, damit deren Syntheseapparat davon neue Viren produziert. Diese werden dann beim Tod des Bakteriums freigesetzt und infizieren neue Einzeller. Die Invasion bleibt allerdings nicht unbemerkt. Ein System namens CRISPR/Cas erkennt das fremde Erbgut und zerstört es. Diese Verteidigungsstrategie ist eine von vielen, dabei allerdings recht weit verbreitet: Fast die Hälfte aller Bakterienarten wehrt sich mit einem solchen Immunsystem gegen Phagenangriffe.

Die Abwehr beruht auf Wiedererkennung: Eingebrachte Virus-DNA wird zuerst von den Cas-Proteinen abgefangen. Diese schneiden dann einen kurzen Abschnitt heraus und bauen ihn ins bakterielle Genom zwischen die CRISPR-Gene ein. Eine so gespeicherte Sequenz passt exakt zu dem Phagen, aus dem sie stammt. Wird sie abgelesen, benutzt die Bakterienzelle die komplementäre RNA als Sonde, um die virale DNA wiederzuerkennen. Die Cas-Proteine bauen die DNA daraufhin ab, und das Bakterium ist dank der zuvor gespeicherten Sequenz gegen die nächste Attacke des Phagen immun.

Bakteriophagen | Diese Viren infizieren Bakterien, unter anderem auch Krankheitserreger.

Nun fanden Camilli und seine Kollegen die Elemente der Bakterienabwehr erstmals auch in einem Virus – dem Bakteriophagen ICP1, welcher den Erreger der Cholera befällt. Sie beobachteten, dass ICP1-Phagen, die CRISPR/Cas-Gene besaßen, Cholerabakterien töteten, die gegen ICP1 ohne diese Gene immun gewesen waren. Daraus schlossen die Forscher, dass der Phage sich das Immunsystem von Bakterien zu eigen gemacht hat, um es gegen seine Beute zu verwenden. Das Team versucht zur Zeit herauszufinden, wie genau ICP1 den Abwehrmechanismus des Cholerabakteriums umgeht. Möglicherweise zerstört er mittels der CRISPR/Cas-Maschinerie genau den Teil der Bakterien-DNA, der dessen Immunsystem verschlüsselt. Bei welchem Bakterium er diese Fähigkeit zuvor abgekupfert hat, steht aber noch nicht fest.

Besonders interessant sind diese Ergebnisse für die Entwicklung der Phagentherapie. Diese soll mit räuberischen Phagen bakteriellen Krankheitserregern zu Leibe rücken, die zum Beispiel gegenüber herkömmlichen Antibiotika resistent sind. Phagen mit erhöhter Infektivität, wie solche mit einem CRISPR/Cas-System, könnten die Effizienz dieser Methode deutlich verbessern. Für Menschen sind Viren, die es ausschließlich auf Bakterien abgesehen haben, dagegen prinzipiell ungefährlich.

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