Immunsystem: Phagen als Schutzschild für Bakterien
Das Bakterium Pseudomonas aeruginosa ist häufig für langwierige Wundinfektionen verantwortlich. Wie es ihm gelingt, sich vor den Attacken des menschlichen Immunsystems zu verstecken, haben Forscher um Paul L. Bollyky von der Standford University untersucht. Laut ihrer Studie, die in der Fachzeitschrift »Science« veröffentlicht wurde, sind diese Keime offenbar häufig selbst infiziert: von Viren, so genannten Bakteriophagen. Statt ihnen zu schaden, helfen diese Viren den Bakterien zu überleben. Sie lenken das Immunsystem des Wirts auf sich und sorgen dafür, dass die Bakterien nicht angegriffen werden.
Bollyky und Kollegen beobachteten, dass die Wunden von Patienten, die mit Bakterien und entsprechenden Phagen infiziert waren, schlechter heilten als solche, die nur von Pseudomonas aeruginosa besiedelt waren. Auch scheint der Phagenbefall die Bakterien infektiöser zu machen. So wurde eine geringere Anzahl an Bakterien benötigt, um eine Infektion hervorzurufen, wenn diese den Phagen in sich trugen. Die Erklärung dafür: Unter normalen Umständen bekämpft das Immunsystem die Bakterien. Der Körper bildet Signalstoffe, woraufhin die Keime von Fresszellen beseitigt werden. Befällt jedoch ein Phage das Bakterium, so vervielfältigt er sein Erbgut darin. Diese RNA-Moleküle alarmieren das Immunsystem des Wirts. Das konzentriert sich nun darauf, das Virus zu bekämpfen und produziert dabei Botenstoffe, die den Abbau der Bakterien hemmen. Die Keime bleiben also verschont und können ungestört weiter Schaden anrichten.
Aber: Wurden Mäuse mit einem Antikörper gegen den Phagen »geimpft«, so waren sie vor einer Infektion durch die Bakterien geschützt. Anscheinend ließ sich das Immunsystem dann nicht mehr durch die Viren ablenken. Eine Behandlung mit Phagenantikörpern könnte also theoretisch einen neuen Therapieansatz gegen antibiotikaresistente Bakterien wie Pseudomonas aeruginosa darstellen.
Bisher sind Phagen hauptsächlich dafür bekannt, Bakterien zu zerstören. Solche »Killerphagen« werden in manchen Ländern beispielsweise in der Lebensmittelproduktion eingesetzt, um bakterielle Kontaminationen zu verhindern. Könnten Phagen gar als Alternative zu Antibiotika dienen? An einer Phagentherapie für Menschen wird seit den 1920er Jahren getüftelt, und sie wird (insbesondere in Georgien, in Polen und in Einzelfällen auch in Belgien) bereits angewendet. In Deutschland sind Phagen noch nicht zur Behandlung von Patienten zugelassen, denn dazu muss ihre Sicherheit und Wirksamkeit zunächst in klinischen Studien bewiesen werden. Bollyky und sein Team haben nun also einen Phagen entdeckt, der im Gegensatz zu »Killerphagen« seinen Wirtsbakterien nützt und einen direkten Einfluss auf unser Immunsystem hat. Möglicherweise lässt sich durch solche Beziehungen auch erklären, warum manche gutartigen Bakterien, wie zum Beispiel jene im Darm, von unserem Immunsystem geduldet werden.
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