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Einwanderung der »Seevölker«: Philister kamen, lebten sich ein und verschwanden

Am Ende der Bronzezeit flohen europäische Migranten über das Mittelmeer in den Süden. An der Levante - und in der Bibel - haben sie Spuren hinterlassen.
David besiegt Goliath

Die aus der Bibel bekannten Philister sind eines der ersten Propagandaopfer der Menschheitsgeschicht: Die verschiedenen Autoren und Redakteure des Alten Testaments präsentieren die lokalen Konkurrenten der Israeliten als blutrünstige und kulturlose Barbaren und nicht als gesellschaftlich und kulturell mindestens ebenbürtigen Stamm. Also ist der bekannteste Philister bis heute ein gewisser Goliath, der angeblich einem deutlich cleveren David im Zweikampf unterlag. Die archäologischen Fakten über die Philister – eigentlich einer Pentapolis aus fünf Stadtstaaten – sind weniger verbreitet. Über die Einwohner und ihre genetische Herkunft gab es bisher zudem nur begründete Vermutungen. DNA-Untersuchungen bestätigen diese jetzt allerdings weitgehend: Die Philister stammen demnach tatsächlich auch von »Seevölkern« ab, die in einer wohl aus klimatischen Gründen ausgelösten Krise am Ende der Bronzezeit aus Südeuropa eingewandert ,waren.

Anders als andere Völker der Region wie die Kanaaniter haben die europäischen Urahnen der Philister allerdings kaum genetische Spuren in den heute vor Ort lebenden Menschen hinterlassen, zeigen die Untersuchungen nun. Für die in »Science Advances« veröffentlichte Analyse typischer Philister-Gensignaturen hatten Forscher um Michal Feldman vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschicht in Leipzig DNA-Spuren aus den Zähnen und Innenohrknochen von zehn Menschen untersucht, die in der späten Bronzezeit und der frühen Eisenzeit in einer Grabstätte nahe Aschkelon beerdigt worden waren, einer der fünf bedeutenden Siedlungen des Philister-Städtebunds.

Die Analysen zeigen deutlich eine plötzliche Beimischung von Gensignaturen zum Genpool der lokalen Bevölkerung in der ausgehenden Bronzezeit. Drei der ältesten Toten vor Ort – die vor 3500 bis 3700 Jahren gestorben waren – zeigen diese Gensignatur nicht, vier rund 500 Jahre später bestattete Kinder dagegen schon: Ihr Erbgut ähnelt zu 25 bis 70 Prozent dem von Menschen, die in der Bronzezeit in einem Gebiet rund um die Ägais, Sardinien und der Iberischen Halbinsel gelebt haben. Diese Philisterkinder tragen aber auch größere Erbgutanteile der eingesessenen lokalen Bevölkerung: Offenbar haben sich Zuwanderer und Einwohner schnell vermischt. Das Zusammenleben scheint auch kulturell problemlos gewesen zu sein, wie die typischen Funde von Töpferwaren unterschiedlichster Stile in unmittelbarer Nachbarschaft nahelegen.

Die südeuropäische Gensignatur wird im Lauf der Zeit dann immer weniger prominent: Nach weiteren rund zwei Jahrhunderten haben sich die eingewanderten Menschen mit den Alteingesessenen vor Ort bis zur Ununterscheidbarkeit vermischt. Zeitlich passen diese genetischen Befunde gut zur Vorstellung, die man sich auf Grund von archäologischen Spuren und schriftlichen Aufzeichungen etwa aus Ägypten gemacht hat: Demnach sind Seevölker nach dem Zusammenbruch von Bronzezeitkulturen in Griechenland im späten 13. und frühen 12. Jahrhundert vor der Zeitenwende in den südöstlichen Mittelmeerraum vorgedrungen – und überall dort heimisch geworden, wo sie nicht von starken Reichen ferngehalten wurden wie etwa im alten Ägypten.

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