Nobelpreis für Physik 2024: Höchste Ehrung für die Entwicklung künstlicher neuronaler Netze
Den Nobelpreis für Physik erhalten im Jahr 2024 der US-Amerikaner John Hopfield und der gebürtige Engländer Geoffrey Hinton für »bahnbrechende Entdeckungen und Erfindungen, die maschinelles Lernen mit künstlichen neuronalen Netzen ermöglichen«. Das hat die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm bekannt gegeben.
Die beiden diesjährigen Nobelpreisträger für Physik hätten Werkzeuge aus der Physik genutzt, um Methoden zu entwickeln, welche die Grundlage für das heutige leistungsstarke maschinelle Lernen bilden, teilte die Akademie in Stockholm mit. Der 1933 geborene Hopfield, Professor an der Princeton University, schuf einen assoziativen Speicher, der Bilder und andere Arten von Mustern in Daten speichern und rekonstruieren kann. Der 1947 geborene Hinton, Professor an der University of Toronto, erfand eine Methode, die selbstständig Eigenschaften in Daten finden und so Aufgaben wie die Identifizierung bestimmter Elemente in Bildern erfüllen kann.
Die Arbeit der beiden Preisträger sei bereits jetzt von größtem Nutzen, hieß es. »In der Physik verwenden wir künstliche neuronale Netze in einer Vielzahl von Bereichen, beispielsweise bei der Entwicklung neuer Materialien mit spezifischen Eigenschaften«, sagte Ellen Moons, Vorsitzende des Nobelkomitees für Physik, während der Pressekonferenz. Hopfield und Hinton hätten dazu in besonderer Weise und bereits sehr früh in den 1980er Jahren beigetragen und diese Entwicklung mit ihrer Forschung überhaupt erst möglich gemacht.
Künstliche Intelligenz ist »nützlich und Besorgnis erregend«
Wenn wir von künstlicher Intelligenz sprechen, meinen wir oft maschinelles Lernen mit künstlichen neuronalen Netzen. Diese Technologie ist von der Struktur des menschlichen Gehirns inspiriert. In einem künstlichen neuronalen Netz werden die Nervenzellen durch Knoten dargestellt, die unterschiedliche Werte haben. Diese Knoten beeinflussen sich gegenseitig durch Verbindungen, die mit Synapsen vergleichbar sind. Das Netz wird trainiert, indem zum Beispiel stärkere Verbindungen zwischen Knoten mit gleichzeitig hohen Werten aufgebaut werden.
Das nach einem der beiden Preisträger benannte Hopfield-Netzwerk nutzt den atomaren Spin aus – eine Eigenschaft, die ein einzelnes Atom zu einem winzigen Magneten macht. Wenn das Hopfield-Netzwerk mit einem verzerrten oder unvollständigen Bild gefüttert wird, arbeitet es sich methodisch durch die Knoten und aktualisiert deren Werte, so dass die Energie des Netzwerks sinkt.
Geoffrey Hinton nutzte das Hopfield-Netzwerk als Grundlage für ein neues Netzwerk, das eine andere Methode verwendet: die Boltzmann-Maschine. Diese kann lernen, charakteristische Elemente in einer bestimmten Art von Daten zu erkennen. Hinton verwendete dazu Werkzeuge aus der statistischen Physik. Die Maschine wird trainiert, indem sie mit Beispielen gefüttert wird, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auftreten, wenn der Algorithmus ausgeführt wird. Die Boltzmann-Maschine kann verwendet werden, um Bilder zu klassifizieren oder neue Beispiele für die Art von Mustern zu erstellen, für die sie trainiert wurde.
Die Nachricht, dass ihm eine Hälfte des diesjährigen Nobelpreises zugesprochen wird, erreichte Geoffrey Hinton laut eigener Aussage »out of the blue« (völlig überraschend). Er habe heute eigentlich einen Termin für einen MRT-Scan, sagte der hörbar bewegte Preisträger am Telefon – den werde er jetzt wohl verschieben. Auf die Frage, welche Bedeutung künstliche Intelligenz künftig habe, antwortete Hinton, sie sei vergleichbar mit der industriellen Revolution. »Statt die Menschen jedoch in ihren körperlichen Fähigkeiten zu übertreffen, wird sie uns womöglich in unseren geistigen Fähigkeiten überflügeln.« Das sei gleichermaßen nützlich wie auch Besorgnis erregend. Während einerseits eine enorme Steigerung der Produktivität in bestimmten Bereichen zu erwarten sei, habe er andererseits durchaus die Befürchtung, dass diese Maschinen außer Kontrolle geraten können.
Seit der Gründung des Preises im Jahr 1901 haben damit nun insgesamt 226 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Physik-Nobelpreis erhalten. Darunter sind fünf Frauen: Marie Curie (1903), Maria Goeppert-Mayer (1963), Donna Strickland (2018), Andrea Ghez (2020) und Anne L'Huillier (2023). Der erste Preisträger war der deutsche Physiker Wilhelm Conrad Röntgen. Er erhielt damals 50 000 Schwedische Kronen. In diesem Jahr beträgt das Preisgeld elf Millionen Schwedische Kronen, das sind umgerechnet rund 970 000 Euro. Es wird zu gleichen Teilen zwischen den Preisträgern aufgeteilt.
Zwischen dem 7. und dem 14. Oktober geben die Nobelkomitees die Preisträger des Jahres 2024 bekannt. Auf unserer Themenseite »Nobelpreise – die höchste Auszeichnung« erfahren Sie, wer einen der renommierten Preise erhalten hat. Dort können Sie außerdem das Wesentliche über die Laureaten und ihre Forschung nachlesen.
Im vergangenen Jahr erhielten Pierre Agostini von der Ohio State University, Ferenc Krausz vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik und der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie Anne L'Huillier von der schwedischen Universität Lund die Ehrung »für die Entwicklung experimenteller Methoden zur Erzeugung von Attosekunden-Lichtimpulsen, um die Elektronendynamik in Materie zu untersuchen«.
Am gestrigen Montag verkündete das Nobelkomitee bereits, dass die beiden US-Amerikaner Victor Ambros und Gary Ruvkun den Medizin-Nobelpreis 2024 für ihre bahnbrechenden Beiträge auf dem Gebiet der Genregulation erhalten. Am morgigen Mittwoch (9. Oktober) wird die Jury bekannt geben, an wen in diesem Jahr der Chemie-Nobelpreis geht. Am Donnerstag und Freitag folgen die Verlautbarungen für den Literatur- und den Friedensnobelpreis, am kommenden Montag (14. Oktober) für den von der schwedischen Reichsbank gestifteten Wirtschaftsnobelpreis. Überreicht werden die Auszeichnungen traditionsgemäß am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.
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