Direkt zum Inhalt

News: Physiker auf der Suche nach dem Geschmack

Moderne physikalische Meßverfahren sollen zukünftig in Echtzeit leisten, was bislang oft nur stichprobenartig in aufwendigen chemischen Analysen nachgewiesen werden konnte: Nach der künstlichen Nase, die Drogen Sprengstoffen oder anderen Substanzen selbst in feinsten Spuren "riechen" kann, folgt nun das synthetische Abbild der Zunge.
Eine künstliche Nase ist heute nur mehr so groß wie ein Handy und kann überdies frei auf die gewünschten Stoffe justiert werden. Doch Ingmar Lundström, Professor für Angewandte Physik und Sensorik-Experte von der Universität Linköping, werkelt schon an dem nächsten Kunstorgan: "Wir befassen uns mit der elektronischen Zunge, um chemische Prozesse zu erforschen und in Flüssigkeiten exakte Messungen durchführen zu können." Ein solcher physikalischer Sensor erfüllt Aufgaben, die bislang durch chemische Methoden geleistet wurden. Zusammen mit dem künstlichen Riechorgan könnte so ein "elektronischer Vorkoster" entstehen, der in der Lebensmittelindustrie permanent die Qualität der Erzeugnisse prüft. "Das Ziel ist, die menschliche Beurteilung von Lebensmitteln so weit wie möglich nachzuahmen", schildert Lundström. Dies umfasse Geruch, Geschmack, das Berührungs- und Beißempfinden und natürlich auch das Sehen von Lebensmitteln. "Letztlich bauen wir an einem ganzen künstlichen Kopf mit Kamera, Nase und Zunge."

Der synthetische Geschmackssensor besteht aus verschiedenen Elektroden unterschiedlicher Metalle, wie Gold, Palladium und Ruthenium. Leitet man durch diese Elektroden Stromimpulse zu einer Gegenelektrode, so resultieren aus verschiedenen Elektrodenpaaren unterschiedliche elektrische Signale. Je nach Beschaffenheit der Probe ergeben sich Muster charakteristischer Signale. Verändern sich die Muster, bedeutet das für die Forscher, dass sich auch die Qualität einer untersuchten Probe geändert hat.

In einem Probeversuch kontrollierten Kunstzungen die Funktion von acht parallel arbeitenden Filtern einer Wasserwiederaufbereitungsanlage: "Bei einigen Filtern meldeten unsere Geschmackssensoren Signalmuster, die jenen von Trinkwasser glichen und damit die Funktion dieser Reinigungsfilter belegten", berichtet der Chemiker. Bei anderen Sandfiltern wiesen die Kunstzungen zuverlässig eine unzureichende Reinigungsfunktion nach – sie "schmeckten" die abweichenden Elektromuster von unaufbereitetem Rohwasser.

Professor Lundström arbeitet bereits an weiteren praktischen Anwendungen seiner "Zunge": So spürt der Sensor Bakterien in den Lösungen von Papierfabriken auf, prüft die Wirksamkeit und Effizienz von Reinigungsmitteln in Spülmaschinen und kostet von Abgasen, um die optimale Verbrennung im Motor zu gewährleisten.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.