Schottland: Piktische Meißelarbeiten als Sprache identifiziert
Stellen diese Steinbilder eine Sprache dar? Rob Lee von der Exeter University in Großbritannien antwortet hierauf eindeutig: "Ja!" Mit zwei Kollegen kam er mithilfe mathematischer Berechnungen zu dem Schluss, dass es sich bei den Symbolen in den Piktensteinen um eine Sprache handeln muss.
Die Römer fassten mit dem Begriff "Pikten" die Volksstämme nördlich des Antoninuswalls (bei Edinburgh) zusammen. Vom ersten bis zum neunten nachchristlichen Jahrhundert kam es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen beiden. Viele Überreste sind von den Pikten nicht erhalten. Der Großteil besteht aus den Steinen mit Meißelarbeiten, die in kleinen schottischen Dörfern wie Aberlemno oder Hilton of Cadboll stehen. Ihre Entschlüsselung würde Licht auf die vor mehr als tausend Jahren verschwundene Zivilisation werfen.
Um diese Lücke zu schließen, wandte Lee ein Konzept des Mathematikers Claude Shannon an. Es fußt darauf, Regeln und Wahrscheinlichkeiten an Sprachen zu berechnen. Wie wahrscheinlich ist es etwa, dass ein Zeichen aus einem festgelegten Repertoire – beispielsweise einem Alphabet oder einem Silbenkatalog – in einem Text auftaucht? Im Deutschen kommt ein "e" sehr viel wahrscheinlicher vor als zum Beispiel ein "x". Ein weiterer Parameter wäre, wie präzise sich von einem Zeichen auf das nächste schließen lässt. Auf ein "q" folgt in der deutschen Sprache immer ein "u" – fast eine Regel.
Lee und seine Kollegen entwickelten nun ein Programm, das solche Regeln und Wahrscheinlichkeiten für Texte in verschiedenen Sprachen ermittelt. Die Ergebnisse stellten sie in einem Koordinatensystem dar. Die analysierten Texte reichten von Englisch oder Altwalisisch bis hin zu Chinesisch, Koreanisch oder ägyptischen Hieroglyphen. Die Forscher analysierten sehr unterschiedliche Sprachen, um möglichst viele Grammatiken zu berücksichtigen. Auch unterschiedliche Verschriftlichungsebenen – Buchstaben, Silben oder ganze Wörter – gingen so in die Analyse ein.
Als nicht-sprachliches Vergleichsmaterial dienten heraldische Symbole und zufällig generierte Zeichen. Am Ende erzielten die Wahrscheinlichkeiten der heraldischen Zeichen wesentlich niedrigere Werte im Koordinatensystem als Texte bekannter Sprachen. Auch die Zeichen der Pikten lagen im Bereich von Sprache.
Für Lee steht damit fest, dass es sich bei den piktischen Zeichen um Sprache handelt. Es stellt sich die Frage, ob Forscher eines Tages die Piktensteine vollständig verstehen können. Lee ist zuversichtlich, dass zumindest Teile entschlüsselt werden. Ein Anhaltspunkt hierbei könnten Inschriften in lateinischen Schriftzeichen sein, die wenige Steine aufweisen – sie sind möglicherweise schlichte Übersetzungen.
Doch es gibt auch kritische Stimmen: Mark Liberman forscht am Institut für Informatik an der University of Pennsylvania zu formalen Modellen für linguistische Notierung. Laut ihm krankt die Analyse besonders daran, dass sie stark davon abhängt, wie die oben erwähnten Wahrscheinlichkeiten miteinander kombiniert werden und womit man die Piktensteine vergleicht.
Claudia Reinert
Die Römer fassten mit dem Begriff "Pikten" die Volksstämme nördlich des Antoninuswalls (bei Edinburgh) zusammen. Vom ersten bis zum neunten nachchristlichen Jahrhundert kam es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen beiden. Viele Überreste sind von den Pikten nicht erhalten. Der Großteil besteht aus den Steinen mit Meißelarbeiten, die in kleinen schottischen Dörfern wie Aberlemno oder Hilton of Cadboll stehen. Ihre Entschlüsselung würde Licht auf die vor mehr als tausend Jahren verschwundene Zivilisation werfen.
Um diese Lücke zu schließen, wandte Lee ein Konzept des Mathematikers Claude Shannon an. Es fußt darauf, Regeln und Wahrscheinlichkeiten an Sprachen zu berechnen. Wie wahrscheinlich ist es etwa, dass ein Zeichen aus einem festgelegten Repertoire – beispielsweise einem Alphabet oder einem Silbenkatalog – in einem Text auftaucht? Im Deutschen kommt ein "e" sehr viel wahrscheinlicher vor als zum Beispiel ein "x". Ein weiterer Parameter wäre, wie präzise sich von einem Zeichen auf das nächste schließen lässt. Auf ein "q" folgt in der deutschen Sprache immer ein "u" – fast eine Regel.
Lee und seine Kollegen entwickelten nun ein Programm, das solche Regeln und Wahrscheinlichkeiten für Texte in verschiedenen Sprachen ermittelt. Die Ergebnisse stellten sie in einem Koordinatensystem dar. Die analysierten Texte reichten von Englisch oder Altwalisisch bis hin zu Chinesisch, Koreanisch oder ägyptischen Hieroglyphen. Die Forscher analysierten sehr unterschiedliche Sprachen, um möglichst viele Grammatiken zu berücksichtigen. Auch unterschiedliche Verschriftlichungsebenen – Buchstaben, Silben oder ganze Wörter – gingen so in die Analyse ein.
Als nicht-sprachliches Vergleichsmaterial dienten heraldische Symbole und zufällig generierte Zeichen. Am Ende erzielten die Wahrscheinlichkeiten der heraldischen Zeichen wesentlich niedrigere Werte im Koordinatensystem als Texte bekannter Sprachen. Auch die Zeichen der Pikten lagen im Bereich von Sprache.
Für Lee steht damit fest, dass es sich bei den piktischen Zeichen um Sprache handelt. Es stellt sich die Frage, ob Forscher eines Tages die Piktensteine vollständig verstehen können. Lee ist zuversichtlich, dass zumindest Teile entschlüsselt werden. Ein Anhaltspunkt hierbei könnten Inschriften in lateinischen Schriftzeichen sein, die wenige Steine aufweisen – sie sind möglicherweise schlichte Übersetzungen.
Doch es gibt auch kritische Stimmen: Mark Liberman forscht am Institut für Informatik an der University of Pennsylvania zu formalen Modellen für linguistische Notierung. Laut ihm krankt die Analyse besonders daran, dass sie stark davon abhängt, wie die oben erwähnten Wahrscheinlichkeiten miteinander kombiniert werden und womit man die Piktensteine vergleicht.
Claudia Reinert
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