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News: Pingelige Putzkolonne

Rund um die Uhr patrouillieren fleißige Saubermänner - die so genannten Phagocyten - durch unseren Körper, um neben ungebetenen Eindringlingen auch überschüssige und entartete Zellen aufzuspüren und zu verschlingen. Doch unsere körpereigene Müllabfuhr scheint bei der Verrichtung ihrer Arbeit sehr wählerisch zu sein: Denn je "schmackhafter" eine absterbende Zelle ist, desto schneller greifen die herbeigelockten Fresszellen ein.
Wenn wir Menschen nicht über eine zelluläre Putzkolonne verfügten, bedeutete dies unser sicheres Todesurteil. Denn nicht nur unzählige Krankheitserreger überschwemmen täglich unseren Körper, die es im Schach zu halten gilt, sondern es fällt auch ständig zu entsorgender zellulärer Abfall an: Durch Verbrennungen, Vergiftungen oder mechanische Beschädigungen verletzte Gewebezellen platzen und setzen dabei chemische Substanzen frei, die Entzündungen hervorrufen – dieser Vorgang heißt Nekrose. Andere vereinzelte Zellen, die überflüssig sind, ihre Funktion erfüllt haben oder infolge mutagener Substanzen entartet sind, erhalten hingegen ein Signal zum programmierten Selbstmord – der Apoptose – und zerfallen in membranumschlossene Abschnürungen.

Zum Wohle des Gesamtorganismus sind bestimmte weiße Blutkörperchen, die Phagocyten, permanent im Einsatz und fungieren als zelluläre Müllabfuhr: Die besonders effizienten und langlebigen Fresszellen eilen herbei, wenn todgeweihte Zellen auf ihrer Oberfläche bestimmte Alarmsignale präsentieren. Mit ihren fädigen Scheinfüßchen umfließen sie Trümmer absterbender Zellen und verdauen sie. Bislang vermuteten die Forscher, dass größtenteils die Saubermänner das Tempo der Aufräumarbeiten bestimmen, während sie den zum Tode verurteilten Zellen eher ein passives Verhalten zuschrieben.

Doch weit gefehlt, wie Barbara Spruce und ihre Kollegen von der University of Dundee nun herausfanden. Sie "bombardierten" Versuchszellen mit Chemikalien und lösten somit auf verschiedene Weise deren Untergang aus. Anschließend untersuchten die Forscher, wieviele Phagocyten sich in der unmittelbaren Umgebung der absterbenden Zellen befanden. Dabei beobachteten sie einen äußerst effektiven Aufruf zur Abfallbeseitigung: Die Fresszellen eilten rasant herbei und verschluckten die noch um ihr Leben ringenden Zellen. Bei der Entsorgung anderen organischen Mülls ließen sie sich hingegen viel Zeit. Jene Zellen waren bereits zerplatzt, als die Phagocyten schließlich eintrafen.

Wie Peter Henson vom National Jewish Medical and Research Center hervorhebt, beeinflusst die Geschwindigkeit, mit der die sterbenden Zellen Alarmsignale zur Schau stellen, wie schnell die gefräßigen Phagocyten herbeigelockt werden. Vermutlich spielt in diesen Prozess der todauslösende Weg ebenfalls mit hinein, wie die Versuchsergebnisse des Forscherteams belegen.

Indem unser Körper die Schnelligkeit der Aufräumarbeiten bestimmt, kontrolliert er möglicherweise die Anzahl der Zellen kurz vor dem Zerplatzen und damit die potentiellen Entzündungsherde, spekuliert Henson. Vom besseren Verständnis der körpereigenen Müllabfuhr erhoffen sich Forscher nun neue Aufschlüsse über Autoimmunkrankheiten wie Diabetes und Arthritis, bei denen das Immunsystem die eigenen Körperzellen angreift. So könnten sich anhäufende tote und zersetzende Zellen eventuell zur Entstehung derartiger Erkrankungen beitragen. Gelänge es Wissenschaftlern die Selbstmord-auslösenden Signale zu manipulieren, könnten sie womöglich den Körper zur verstärkten Beseitigung abgestorbener Zellen anregen.

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