Kunststoffe: Plastik flutet die Arktis
Die Überreste unserer auf Kunststoff basierenden Zivilisation finden sich mittlerweile überall – an entlegenen Südseestränden ebenso wie in der Tiefsee. Natürlich sammelt sich auch im Meereis der Pole der Abfall, doch in welchem Ausmaß dies geschieht, war lange schwer zu erfassen. Ein Team um Ilka Peeken vom Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven hat während zweier Expeditionen 2014 und 2015 Eisbohrkerne gesammelt und im Labor auf Mikroplastik untersucht, um bessere Daten zu bekommen. Ihre Ergebnisse stellten die Wissenschaftler in »Nature Communications« vor. Die Menge an Partikeln, die kleiner als fünf Millimeter sind, ist demnach fast schon beängstigend hoch.
Pro Liter Meereis zählten die Forscher über 12 000 Mikroplastikteilchen – zwei- bis dreimal so viele Verunreinigungen, wie sie in vorherigen Tests nachweisen konnten. Ein Teil des Zuwachses geht dabei auf verbesserte Analysemethoden zurück: Mit Hilfe eines Infrarot-Spektrometers konnten Peeken und Co nicht nur die ungefähre Mengen, sondern auch die Zusammensetzung der Kunststoffe feststellen. Insgesamt hatten sie Proben aus fünf verschiedenen Regionen um den Nordpol untersucht, um beispielsweise festzustellen, ob es Unterschiede zwischem dem eurasischen und dem amerikanischen Teil der Arktis gibt. Das Material stammt demnach vornehmlich aus zwei Quellen. Bohrkerne aus dem kanadischen Becken wiesen hohe Anteile an Polyethylenen auf, die für Verpackungen genutzt werden. Sie stammen sehr wahrscheinlich aus dem großen nordpazifischen Müllstrudel und wurden mit Meeresströmungen herantransportiert.
In der flacheren Sibirischen See setzt sich die Kontamination dagegen verstärkt aus Abrieb von Schiffsanstrichen und Nylon zusammen. Letzteres wird häufig für Fischernetze verwendet und könnte andeuten, dass die Region zunehmend für die Schifffahrt und den Fischfang genutzt wird. »Das Mikroplastik stammt also nicht mehr nur aus Quellen außerhalb der Arktis, sondern auch direkt aus der Region«, so die Biologin Peeken. Zwei Drittel der Kunststoffteilchen in den Proben entfielen auf die kleinste ausgewiesene Kategorie mit einer Größe unter 50 Mikrometer, erklären die Wissenschaftler. Insgesamt konnten sie 17 verschiedene Kunststofftypen nachweisen. Neben den genannten Verbindungen fanden sich auch erhöhte Konzentrationen an Zelluloseazetat, das ein wichtiger Bestandteil von Zigarettenfiltern ist.
Das Meereis transportiert nach seiner Bildung dann den Müll mit den Strömungen durch die Arktis, wobei es gleichzeitig noch wächst und weitere Kunststoffe aufnimmt. Je nach Dauer des Eises bindet es den Müll für zwei bis elf Jahre. Spätestens wenn es die Framstraße bei Grönland erreicht, schmilzt es und gibt die Partikel wieder frei. Diese Region müsse daher intensiv mit Abfällen belastet sein, schreiben die Forscher weiter. Gleichzeitig werden diese hier auch wieder für Lebewesen verfügbar, die sie aufnehmen und so in die Nahrungskette einschleusen. Ruderfußkrebse und Wimperntierchen – wichtige Bestandteile des Zooplanktons – verwechseln sie leicht mit Algen und können die Partikel wegen der geringen Größe gut aufnehmen. Andererseits wird das Material rasch mit Algen und Bakterien besiedelt, so dass es schwerer wird und in die Tiefsee sinken kann.
Jährlich gelangen mehrere Millionen Tonnen Kunststoffmüll in die Ozeane, wo er sich nur langsam zersetzt. Beim Zerfall und durch mechanischen Abrieb entsteht dann das Mikroplastik, das sich mittlerweile weltweit findet. Wie viel Plastik insgesamt im Meer schwimmt, ist schwer zu schätzen – die Berechnungen reichen von mehreren Hunderttausend bis zu mehreren Millionen Tonnen.
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