Direkt zum Inhalt

Klimawandel: Polare Breiten: Neue Gletschererkenntnisse

Kalbender Gletscher, Südost-Grönland
Womöglich ist die Gesamtbilanz der grönländischen Gletscherschmelze in den Jahren zwischen 2003 und 2005 deutlich weniger negativ. Laut Auswertungen von Scott Luthcke vom Planetary Geodynamics Laboratory der Nasa und seiner Kollegen [1] beträgt sie doch nur 100 Gigatonnen pro Jahr statt der jährlichen 240 Gigatonnen, die erst vor Kurzem in zwei konkurrierenden Studien veranschlagt wurde.

Die Daten dieser Untersuchungen stammen jeweils von den Grace-Satelliten, die lokale Unterschiede im Schwerefeld der Erde messen und aus denen entsprechende Massenverluste und -zuwächse berechnet werden können. Im Gegensatz zu ihren Kollegen betrachtete Luthckes Team jedoch nicht das Eisschild als eine einzige Einheit, sondern wendeten sich sechs einzelnen Einzugsgebieten der Insel zu und addierten deren Ergebnisse. Auf diese Weise wollten sie eine feinere Auflösung erreichen und Gravitationssignale ausschließen, die nicht von der Massenbilanz der Gletscher herrühren, sondern beispielsweise vom Gezeiteneinfluss. Bestätigt wurde dabei erneut das massive Tauen an den Rändern des Eisschilds, der unterhalb von 2000 Metern Höhe rund 155 Gigatonnen pro Jahr verlor. Dagegen nahmen die Gebiet oberhalb dieser Linie jährlich um 55 Gigatonnen Masse zu.

Beide Ergebnisse bestätigen die Prognosen der Klimaforscher, die wegen der steigenden Temperaturen neben dem Abtauen auch verstärkte Niederschläge in den zentralen Bereichen Grönlands vorhersagten – wärmere Luft nimmt mehr Feuchtigkeit auf als kalte. An Eismasse verlieren auch Teile der Antarktis, wo sich vor allem die Antarktische Halbinsel gegenüber der Südspitze Südamerikas ungewöhnlich schnell aufheizt. Den Grund für den überproportionalen Temperaturanstieg dort haben nun womöglich Ted Scambos von der Universität von Colorado in Boulder und seine Kollegen entdeckt [2]: Verstärkte Westwinde, die auf der Leeseite des auf der Halbinsel stockenden Gebirges häufiger Föhnverhältnisse auslösen und dabei die Temperaturen um bis zu fünf Kelvin emporschnellen lassen.

Im Sommer geht diese Energiezufuhr in die Eisschmelze; das Tauwasser vergrößert wiederum Spalten im Eis und führt letztlich zum Auseinanderbrechen des Packeises im Schelfmeerbereich wie im Fall des Larsen-Eisschelfs, das 2002 kollabierte. In den letzten dreißig Jahren gingen auf diese Weise rund 13 500 Quadratkilometer dauerhaftes Meereis verloren, das ursprünglich als Barriere wirkte und das Abströmen der Festlandsgletscher ins Meer bremste. Als Grund für die zunehmenden Westwinde führen die Klimatologen den Anstieg von Treibhausgasen in der antarktischen Troposphäre und den Ozonverlust in der Stratosphäre an.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.