Polarmeer: Die Arktis als Süßwassersee
Der Arktische Ozean könnte in der jüngeren geologischen Vergangenheit ein riesiger Süßwassersee gewesen sein. Das jedenfalls vermuten Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven auf Basis einer aktuellen Forschungsarbeit. Für sie hat die Gruppe in Bohrkernen vom Meeresgrund nach dem Isotop Thorium-230 gesucht. Es entsteht beim radioaktiven Zerfall von Uranatomen. Diese sind Teil von salzhaltigem Meerwasser – nicht aber von Süßwasser, wie es in Flüssen und Seen vorkommt.
In manchen Teilen der Bohrkerne aus dem Arktischen Ozean fand das Team überhaupt kein Thorium-230. Dies lasse sich am besten dadurch erklären, dass die Region vor 150 000 bis 131 000 Jahren sowie vor 70 000 bis 62 000 Jahren ein abgeschlossenes Reservoir bildete, schreiben die Forscher in »Nature«.
Sie vermuten, dass die Hauptzuflüsse ins Polarmeer damals blockiert waren. Das ist denkbar, da beide Zeiträume sich mit Eiszeiten überlappen, während denen der Meeresspiegel niedriger stand. So niedrig, dass die Beringstraße zwischen Asien und Amerika wohl eine unüberwindbare Barriere bildete. Die Verbindung zum Atlantik entlang der Framstraße könnten hingegen massive Gletscher versperrt haben, die die ganze Polarregion überspannten. Zwischen Grönland und Schottland könnten sie bis auf den – an dieser Stelle erhöhten – Meeresgrund gereicht haben, was den Zufluss aus dem Atlantik verhindert hätte.
Sollte die Theorie stimmen, ließen sich damit vielleicht abrupte Klimaschwankungen in den jeweiligen Zeiträumen erklären. Aus Sicht anderer Wissenschaftler bleiben jedoch Zweifel bestehen: Die Thorium-Analyse gilt als recht unzuverlässig, auch weil es schwierig ist, Sedimente vom arktischen Meeresgrund präzise zu datieren. Ebenso wenig hat man bisher Fossilien von Süßwassertieren gefunden, die es eigentlich geben müsste, wenn der Arktische Ozean für längere Zeit kein Meerwasser enthielt.
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