News: Polymere als Schleuser
Um diese zu umgehen, verknüpft die Arbeitsgruppe von Jindrich Kopecek an der University of Utah die Krebsmedikamente mit wasserlöslichen Polymeren zu sogenannten Biokonjugaten. Die dabei entstehenden Verbindungen sind zu groß, um die Membran noch durch Diffusion passieren zu können. Statt dessen gelangen sie durch den Prozeß der Endocytose ins Zellinnere: Die Zellmembran umschließt das Molekül in einem Bläschen, um es dann tief ins Innere der Zelle zu ziehen. Dadurch wird die Substanz näher am Zellkern freigesetzt und kann so wirksamer werden. Auch wird die Verweildauer in der Zelle erhöht, da es länger dauert, bis die Zelle den Eindringling wieder hinauswirft.
"Wir haben gezeigt, daß sich durch die Bindung von Medikamenten an Polymere nicht nur der Eintrittsmechanismus ändert, sondern auch die Art, wie die Gene aktiviert werden und der Selbstmord der Zelle, die Apoptose, ausgelöst wird", sagt Kopecek. "Viele Fragen bleiben noch offen, doch diese Herangehensweise eröffnet uns eine rationale Möglichkeit, neue, effizientere Systeme zur Verabreichung von Medikamenten gegen den Krebs zu erschaffen." Gegenwärtig werden einige dieser Kombinationen klinisch getestet.
Laut Aussagen der Forscher hat die Bindung an Polymere noch einen weiteren Vorteil: Die nichtspezifische Toxizität nimmt ab. Das bedeutet, an Polymere gebundene Chemotherapeutika schädigen gesundes Gewebe in einem geringeren Maße als freie Medikamente.
Zusätzlich eröffnet sich bei der Verwendung der Biokonjugate die Möglichkeit, Antikörper oder Teile davon in die Medikament-Polymer-Kombination einzubauen. Die Mittel würden dann vor allem an den mit den korrespondierenden Antigenen ausgestatteten Arten von Zellen wirken.
Wie Kopecek bemerkte, sei es zwar wichtig, neue Mittel gegen den Krebs zu suchen. Ebenso müßte die Forschung aber auch neuere, effektivere Methoden ersinnen, um diese Mittel zu den richtigen Zellen zu transportieren. In Anlehnung an einen Harvard-Forscher sagte Kopecek: Entwickelt man nur die Medikamente allein, nicht aber bessere Systeme, um sie zu verabreichen, dann wäre dieses etwa so, als würde man alle möglichen neuen Autos entwerfen, ohne an die Straßen und Brücken zu denken, auf denen die Autos später fahren sollen. "Wir arbeiten jetzt an den Straßen und Brücken", fügte er hinzu.
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